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Sonntag, 3. Juni 2007

In Zukunft Feudalismus.


by Michael Broeckers

Zu Beginn der "G 8"-Woche ein Text aus meinem neuen Buch "Cogito Ergo Bum" - über die Verteilung des Wohlstands im globalen Dorf:

"Stellen wir uns vor, die gesamte Erde mit ihren derzeit 6,5 Milliarden Menschen sei ein Dorf mit 100 Einwohnern.

In diesem globalen Dorf leben 51 Frauen und 49 Männer, aber das ist auch schon fast das einzige, was gleichmäßig verteilt ist.

Was die Rassen und Sprachen betrifft, sind 60 Dorfbewohner Asiaten, 14 Afrikaner, 14 Südamerikaner, elf Europäer und fünf Nordamerikaner; 13 Bewohner sprechen Chinesisch, fünf Spanisch, vier Englisch, drei Hindi und je zwei Portugiesisch und Russisch – die restlichen 71 Bewohner sprechen jeder eine verschiedene Sprache. Auf ihre Religion angesprochen, bezeichnen sich 33 Bewohner als Christen, 21 als Muslime, 15 als Hindus, sechs als Buddhisten sowie 16 als Agnostiker, die keiner Religion anhängen.

Im Lauf seiner langen Geschichte hat es das globale Dorf zu einigem Wohlstand gebracht, der in den historischen Anfängen unter den Bewohnern auch noch weitgehend gleich verteilt war, doch dann hatten vor einigen Jahrhunderten ein paar erfindungsreiche Bewohner begonnen, sich mit Waffen auszustatten und einige Gassen des Dorfs gewaltsam zu erobern, die Bewohner zu versklaven und die Bodenschätze auszubeuten.

Diese Raubzüge verschafften ihnen die Mittel für weitere Waffen und Armeen, sodass sie bald alle schwächeren Bewohner und Häuser im Dorf unter ihre Kontrolle brachten. Gleichzeitig sorgten sie dafür, dass ein von den Dorfältesten in den Anfängen erlassenes Gesetz, dass Geld nur aus Mitgefühl, aber nicht gegen Zins verliehen werden durfte, abgeschafft wurde.

Waren es bis dahin nur Gewalt und überlegene Waffen, die die Umverteilung des Wohlstands gesichert hatten, kam mit diesem neuen Geld ein weiterer Faktor dazu, mit dem Sklaven unter Kontrolle gehalten werden konnten. Es vermehrte sich von selbst, wenn man es ihnen auslieh. So stieg der Wohlstand der Waffen- und Geldbesitzer nach und nach ins Unermessliche.

Ende des Jahres 2006 legten die Vereinten Nationen – eine Institution aller Dorfbewohner – die Ergebnisse einer Studie vor, die die aktuelle Verteilung des Wohlstands im globalen Dorf untersucht hat.

Danach sind 50 Prozent des gesamten Vermögens im Besitz von zwei Bewohnern, diesen beiden allein gehört also die Hälfte der gesamten Welt; acht weitere können 35 Prozent des gesamten Wohlstands ihr Eigen nennen.

Diesen zehn Bewohnern, denen zusammen also 85 Prozent gehören, stehen 50 Bewohner gegenüber, die alle zusammen nur über ein Prozent des Wohlstand verfügen. Dieser Hälfte der Dorfbewohnerschaft reichen ihre Einkünfte oft nicht einmal zum Essen und für ausreichend Trinkwasser.

Verbleiben noch 40 Dorfbewohner, die über die restlichen 14 Prozent des Vermögens verfügen – noch, denn sie sind verschuldet, und der Zinsmechanismus sorgt dafür, dass ihr Vermögen immer schneller dahinschmilzt und ebenfalls bei den Superreichen landet.

Wenn wir uns das Ganze als großes Monopolyspiel mit 100 Spielern vorstellen, dann gehören zwei Spielern, über die Schlossallee und die Parkstraße hinaus, die Hälfte aller Straßen, aller Häuser und des Geldes, acht weitere kommen zusammen auf ein Drittel, und um den verbleibenden Rest von 15 Prozent schlagen sich 90 Spieler.

Dass ein solches Spiel nicht funktionieren kann, weil die Verteilung der Chancen einfach nicht stimmt, ist offensichtlich; für 90 Prozent der Mitspieler kann so etwas wie Spielfreude überhaupt nicht aufkommen.

Die Hälfte von ihnen nagt am Hungertuch und kommt kaum noch heil über die Runden – die andere Hälfte prügelt sich verbissen um den schmalen Wohlstandsrest, den die Supermonopolisten noch nicht vereinnahmt haben. Und von Runde zu Runde wird es enger ...

Würden Sie da gerne mitspielen? Das ist eine rhetorische Frage, denn dies ist kein Spiel, sondern die Welt, in der wir leben müssen.

Wir haben keine Wahl, einfach auf »Mensch ärgere dich nicht« umzusteigen, weil uns dieses Monopolyspiel zum Scheitern verurteilt und keinen Spaß macht.

Wir sind mittendrin, entrichten als Zinssklaven täglich unseren Obolus und füttern das System: Jedes Brötchen, jedes U-Bahn-Ticket, jedes Telefongespräch ist mit Zinskosten belastet, ebenso wie jeder Gang zum Klo, denn auch in den Abwassergebühren stecken Zinsen.

Wir können also gar nicht anders, als dafür zu sorgen, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht.

Bald werden in unserem Dorf nicht mehr acht Bewohner über 85 Prozent des gesamten Vermögens verfügen, sondern sieben über 90 Prozent, dann sechs über 93 Prozent, wenig später fünf über 95 Prozent usw.

Worauf dieses Spiel hinausläuft, liegt auf der Hand: ein Feudalsystem, in dem nur einem Geldbesitzer das ganze Dorf gehört und die gesamten Bevölkerung sich in der Rolle besitzloser Leibeigener vorfindet.

Nichts anderes kann das Ergebnis dieses Spiels sein, dessen Scheitern schon im System angelegt ist. Die einzige Möglichkeit, es zu stoppen, wäre, die Spielregeln zu ändern und die magische Selbstvermehrung des Geldes durch Zins und Zinseszins zu beenden.

Wo 90 Prozent der Dorfbevölkerung zwangsläufig zu den Verlierern des Spiels zählen, wundert es eigentlich, dass sie diese untauglichen Regeln nicht längst geändert haben.

Und wäre es nur eine unsichtbare Hand, die diesen Markt regiert, hätte die 90-Prozent-Mehrheit der Mitspieler ihr auch schon längst auf die Finger geklopft. Doch hinter dieser unsichtbaren Hand steckt eine eiserne Faust, die mit Kanonenbooten, Flugzeugträgern und Soldaten dafür sorgt, dass an den Spielregeln nicht gerüttelt wird.

Also: Gehen sie über »Los!« und seien Sie froh, dass Sie Hartz 4 einziehen können – anderswo gibt’s schon längst gar nichts mehr."


 

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