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Dienstag, 28. August 2007

US-KORRUPTIONSVERDACHT IM IRAK


by spiegel.de

Waffen verschollen, Dokumente gefälscht, Papiere verschlampt

Erst verschwanden Hunderttausende Waffen. Jetzt haben US-Ermittler neue Unregelmäßigkeiten bei Materiallieferungen in den Irak entdeckt. In insgesamt 73 Verfahren geht es um Korruption, Schmiergelder, gefälschte Dokumente - auch gegen US-Armeeangehörige wird ermittelt.

Berlin - US-Bundesbehörden ermitteln in immer mehr Fällen wegen Betrugs und Korruption in Zusammenhang mit Waffenlieferungen an die US-Armee im Irak und die irakischen Sicherheitskräfte. Das berichtet die "New York Times" heute. Es handle sich um das größte Geflecht von Betrugsfällen seit Beginn des Irak-Kriegs 2003, zitiert das Blatt einen US-Beamten.

Unter denen, die ins Visier der Fahnder geraten sind, befinden sich dem Bericht zufolge auch Angehörige der US-Armee. Der bislang prominenteste Fall betrifft Colonel Levonda Joey Selph, eine ehemals enge Mitarbeiterin des jetzigen Oberkommandierenden im Irak, General David H. Petraeus.

Was genau Selph vorgeworfen wird, ist laut "New York Times" unklar. Aber offenbar steht die Untersuchung im Zusammenhang mit Selphs früherer Tätigkeit als Petraeus' Mitarbeiterin in den Jahren 2004 und 2005. Petraeus war zu jener Zeit zuständig für die Ausbildung und Ausstattung der irakischen Streitkräfte.

Nicht nur Schlamperei, auch Korruption

Es ist bereits seit einiger Zeit bekannt, dass Petraeus in jener Zeit bewusst darauf verzichtete, die an die Iraker ausgegebenen Waffen so genau zu dokumentieren, wie es eigentlich vorgeschrieben war. Er rechtfertigte dies mit der gebotenen Eile. Einige der auf die Schnelle ausgerüsteten Iraker seien quasi auf dem Weg in die Schlacht gewesen, erklärten später auch Mitarbeiter des Generals. Da habe man sich kaum an die Vorschriften halten können.

Wegen dieser Praxis wurden rund 30 Prozent der von den USA ausgegebenen Gewehre und Pistolen zu Geisterwaffen: Es ist heute nicht mehr feststellbar, in wessen Händen sie sich befinden oder ob sie gar den Weg in Arsenale der Aufständischen gefunden haben. Es handelt sich dabei um fast 200.000 Waffen (mehr...).

Bislang ging man davon aus, dass Schlamperei und Hast die Hauptgründe für das Verschwinden des Kriegsgeräts sind. Aber die Ermittlungen gegen Petraeus' Ex-Mitarbeiterin Selph schüren den Verdacht, es habe auch kriminelle Vorgänge gegeben. Selph selbst habe auch auf mehrfache Anfrage hin keine Stellung nehmen wollen, schreibt die "New York Times".

Schmiergelder für Pentagon-Verträge

Doch die Causa Selph ist offenbar nur ein Fall unter mittlerweile ziemlich vielen: Der Zeitung zufolge liefen am 23. August insgesamt 73 Ermittlungsverfahren allein in Zusammenhang mit Vertragsbetrug. Offenbar geht es dabei um gefälschte Dokumente und Korruption zwischen Angehörigen der US Army und Subunternehmern. Es gebe auch Fälle in Kuwait und Afghanistan, zitierte die "New York Times" einen Sprecher der US-Armee. Die Untersuchungen beträfen ein Vertragsvolumen von insgesamt fünf Milliarden Dollar und 15 Millionen Dollar an gezahlten Schmiergeldern. Insgesamt 20 Personen, darunter Zivilisten wie Armee-Angehörige, würden entsprechende Vergehen vorgeworfen.

Erst vergangene Woche, so die Zeitung weiter, seien ein Major der US-Armee, seine Frau und seine Schwester angeklagt worden, weil sie bis zu 9,6 Millionen Dollar Schmiergeld für Pentagon-Aufträge angenommen hätten. Das Verteidigungsministerium wolle jetzt eine 18-köpfige Untersuchungskommission in den Irak schicken, um die Praxis bei Vertragsabschlüssen dort unter die Lupe zu nehmen. Das Ausmaß an kriminellen Praktiken werde von Kennern der Materie als höher als normal eingeschätzt.

Heimliche Waffenkäufe des irakischen Innenministeriums

Seit dem Beginn des Irakkrieges ist der Irak immer mehr zu einem waffenstarrenden Wespennest geworden. Nach dem Fall Bagdads im Frühjahr 2003 lösten die USA die irakische Armee auf und schickten die Soldaten nach Hause - mit ihren Waffen. Viele schlossen sich dem Widerstand an. Als die irakische Armee dann 2004 wieder aufgebaut wurde, versorgten die USA die Soldaten mit Waffen - jedoch ohne diese immer vernünftig zu registrieren.

Das volle Ausmaß des Problems wurde am 6. August bekannt, als die "Washington Post" berichtete, dass 110.000 AK-47-Sturmgewehre und 80.000 Pistolen zu Geisterwaffen geworden waren, weil sie bei ihrer Ausgabe an die Iraker nicht regelgerecht erfasst wurden. Mindestens ein Fall ist mittlerweile bekannt, in dem einige dieser Waffen später gegen die US-Armee eingesetzt wurden.

Nur eine Woche darauf berichtete der britische "Guardian" von einem anderen spektakulären Fall, der illustriert, wie schwierig die Kontrolle über Waffen im Irak geworden ist. Dem Blatt zufolge hatte das irakische Innenministerium an den USA vorbei und auf eigene Faust bei dubiosen Waffenhändlern in Italien 105.000 Gewehre geordert. Der Deal konnte gestoppt werden.

Die jetzt gestarteten Ermittlungen, von denen die "New York Times" heute berichtet, sind offenbar eine Konsequenz aus der Geisterwaffen-Affäre. Laut dem Blatt sind die Armee selbst, das Justizministerium, das FBI und andere Behörden an den Untersuchungen beteiligt. Dem Oberkommandierenden Petraeus wird keinerlei Vorwurf gemacht.

yas


 

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