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PC Internet - Ogg laesst MP3 Musik alt toenen


Sonntagszeitung, 28,7,2002

Ein neues Format verbessert den Klang von MP3 und ist im Internet frei verfügbar. Die Plattenindustrie befürchtet nach dem Regen die Traufe

teich nachts

VON OLIVER ZIHLMANN

Die Elektronikhersteller haben MP3 entdeckt: Sie bringen immer mehr Stereoanlagen fürs Wohnzimmer in den Handel, die auch das bei Internetnutzern beliebte Datenformat handhaben. Doch die Frage ist, ob sich der zuerst bei Raubkopierern beliebte MP3-Standard überhaupt noch lange wird halten können. Nach jahrelanger Entwicklung stellte die Nicht-Profit-Organisation Xiph vor wenigen Tagen das frei verfügbare Konkurrenzformat Ogg vor. Am Donnerstag nun entschied die US-Firma Real Networks, die mit Microsoft den Markt für Musikspiel-Software beherrscht, in zukünftigen Versionen seines Multimedia-Programms Real Player den neuen Standard zu unterstützen. Xiph setzt sich für den freien Musiktausch im Web ein - damit machen sich die Kinder der MP3-Revolution daran, die Mutter aller komprimierten Musikformate zu verdrängen. Das Urformat MP3 ist, obwohl viele Nutzer dies glauben, keine Gratissoftware. Hersteller von Musikspielgeräten, die MP3 beherrschen, müssen dafür Lizenzgebühren entrichten. Ogg hingegen ist unentgeltlich im Internet verfügbar, inklusive Software zum Selbstkomprimieren von Musik ab Audio-CDs und anderen Tonträgern. Dabei soll Ogg eine erheblich bessere Klangqualität der datenreduzierten Lieder schaffen als MP3, das gemäss Xiph-Chef Emmett Plant «technisch überholt ist». Ogg stammt, wie das immer mehr auch in Firmen und Behörden verbreitete Betriebssystem Linux, aus der «Open Source»-Bewegung, die sich gegen proprietäre Software stemmt. Dazu gehört die Offenlegung des so genannten Quelltextes, der alle Programmbefehle enthält: Auf Sicherheit bedachte Nutzer können prüfen, welche Funktionen in einer Software eingebaut sind. So auch bei Ogg - bei den kommerziellen Audioformaten machen die Programmierer dagegen ein Geheimnis um die eigenen Komprimierungsverfahren. Musiktitel im Ogg-Format brauchen nur halb so viel Speicherplatz wie mit MP3, klingen aber deutlich besser - die Höhen sind klarer, die Bässe dynamischer. Beim Transport übers Internet brauchen sie entsprechend nur halb so viel Zeit wie die Millionen von MP3-Liedern, die täglich im Web verschoben werden.

Im ersten Halbjahr 2002 brach der CD-Markt um fast 10 Prozent ein

Den Plattenfirmen dürfte die Aussicht, dass MP3 ausgerechnet von dem noch weniger regulierten Ogg-Format abgelöst wird, keine Freude bereiten. Seit drei Jahren führt die Musikindustrie einen ebenso erbitterten wie erfolglosen Kampf gegen MP3. Sie hat in den ersten sechs Monaten dieses Jahres fast zehn Prozent weniger CDs verkauft als in der ersten Jahreshälfte 2001. Als Grund nennen die Plattenstudios die Kopierwut der Internetnutzer, seit MP3 Audio-CDs um mehr als 90 Prozent komprimiert: Der Tausch eines einzigen Liedes würde sonst viele Minuten dauern. Die Musikbranche will einen eigenen Nachfolger für MP3 mit eingebautem Kopierschutz, der Raubkopien verhindert. Derartige Kopierschutz-Formate sind bereits im Umlauf, so WMA von Microsoft und MP3 Pro. Bisher sind alle Versuche gescheitert, MP3 ungeschehen zu machen, sogar wenn sie, wie das Microsoft-Format, besser klingen. Sollte sich ausgerechnet Ogg gegen MP3 durchsetzen, «kämen wir vom Regen in die Traufe», sagt Hilary Rosen, die Vorsitzende des US-Branchenverbandes RIAA. «Die Leute wollen ein Format ohne Kopierschutz», sagt Steven Caldero, Co-Leiter der Abteilung Audio beim US-Verband für Unterhaltungselektronik CEA. «Wir sind von den Tonbandkassetten her gewöhnt, frei zu kopieren.» Für den Neuling Ogg sieht Caldero gute Chancen: «Geräte zum Abspielen von Ogg-Musik wird es wohl nicht so schnell geben, aber in den Internet-Tauschbörsen könnte das Format zum Renner werden.» Trotzdem: Ob Ogg oder andere Formate - jeder Konkurrent wird es schwer haben gegen MP3. Das Format ist heute so beliebt, dass es bereits die Audio-CD und das Radio bedrängt. Im Internet und auf den Heim-PCs ist MP3 als Musikformat heute der Standard. Bei den portablen Geräten sind MP3-Spieler nach einem verhaltenen Start nun dabei, den Markt aufzurollen. Laut der Statistik des Schweizer Konsumelektronik-Branchenverbandes SCEA wurden hier zu Lande im vergangenen Jahr ein Viertel weniger Walkmänner verkauft als im Jahr 2000. Dagegen nahm im gleichen Zeitraum der Gesamtumsatz mit MP3-Spielern um 15 Prozent zu, auf 2,5 Millionen Franken. Von einem portablen Musikgerät für Lieder im Ogg-Format - also einem Oggman - träumen die Entwickler der freien Software noch. Wenn sich der neue Standard bei den Nutzern so schnell verbreitet wie zuvor MP3, dürften die Elektronikhersteller indes bald aufspringen.


 
  
 
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