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Was wußte der Präsident?


Selbst im Urlaub bleibt George W. Bush von der Geheimdienstaffäre nicht verschont. US-Zeitungen fragen nach seiner Rolle im »Plamegate«, der Enttarnung einer CIA-Agentin

Der US-Präsident George W. Bush ist seit vergangener Woche auf seiner Ranch in Texas in Urlaub. Sommerloch auch im politischen Washington, möchte man meinen, doch die US-Presse kommt nicht zur Ruhe. »Kann sich jemand vorstellen, daß George W. Bush im Jahr 2003 nicht wußte, was heute jeder weiß, daß nämlich sein politischer Auftragsmörder Karl Rove der Beamte im Weißen Haus war, der die Identität der als verdeckte CIA-Agentin arbeitenden Valerie Plame an die Presse verraten hatte«, um sich an ihrem Mann Joseph Wilson zu rächen, der die Iraks-Kriegspläne der Bush-Administration durcheinander gebracht hatte. Das schrieb gestern The Morning Sentinel aus dem US-Bundesstaat Maine. Der Artikel des Provinzblattes unterscheidet sich nicht wesentlich von denen anderer regionaler Blätter, was bedeutet, daß die brisante, unter dem Namen "Plamegate« bekannte Politaffäre inzwischen selbst in der US-amerikanischen Provinz Aufmerksamkeit erregt. Zugleich zeigt die Fragestellung, daß die Affäre sich längst nicht mehr nur auf Karl Rove, Bushs Stabschef und die graue Eminenz im Weißen Haus, konzentriert, sondern auch der Präsident mit hineingezogen wird. Wie beim Watergate-Skandal in den 70er Jahren wird auch heute gefragt: »Was wußte der Präsident?«

Geheimes Memorandum

Laut Washington Post geht der Sonderermittler der Staatsanwaltschaft, Patrick J. Fitzgerald, inzwischen nicht mehr nur der Frage nach, »wer Valerie Plames Identität verraten hat, sondern auch, wie es der Bush-Administration gelungen ist, die Verantwortung für die 16 Worte in der Rede des Präsidenten zur Lage der Nation im Jahr 2003, wonach sich der Irak bemüht, von Niger Uran zu kaufen, vom Weißen Haus auf die CIA abzuschieben«. Zum Ärger für die US-Regierung will »Plamegate« nicht mehr aus den Medien verschwinden.

Der Abschnitt des geheimen Memorandums aus dem US-Außenministerium mit Informationen über die hochrangige CIA-Mitarbeiterin Valerie Wilson, geborene Plame, sei mit einem »S« für »secret« markiert gewesen, hatte die New York Times Ende Juli über den hochbrisanten Fall berichtet, der wie kein anderer das Weiße Haus unter Bush in seinen Grundfesten erschüttert. Das »S« sei »ein eindeutiger Hinweis« gewesen für jeden, der das Dokument gelesen habe, daß die Informationen über Frau Wilson-Plame streng geheim waren. Denn sie gehörte nicht zum »normalen« CIA-Personal, das gewöhnlich auf Visitenkarten stolz den Arbeitsplatz bei der »Agency« samt Telefonnummer angibt, sondern zum streng geheimen Programm »Non Official Cover«, kurz NOC (siehe Beitrag »Fiktiver Job im Ausland«).

Die absichtliche Aufdeckung eines NOC-Agenten ist aufgrund eines unter Präsident Ronald Reagan 1982 erlassenen Gesetzes (Intelligence Identities Protection Act) eine kriminelle Handlung, die mit Gefängnis bestraft wird. Nun ist ausgerechnet der Stabschef des Weißen Hauses, Karl Rove, vom FBI als Akteur solchen kriminellen Tuns identifiziert worden. Vor zwei Jahren soll er die »nichtoffizielle Deckung« von Frau Wilson-Plame gegenüber einem Journalisten enthüllt haben, was die Agentin nach entsprechenden weltweiten Veröffentlichungen in Gefahr gebracht habe. Rove räumte inzwischen ein, über den Fall gesprochen zu haben, ohne allerdings den Namen preiszugeben. Frau Wilson-Plame arbeitete damals als internationale »Energie-Expertin« getarnt im Bostoner Beraterunternehmen »Brewster Jennings & Associates«. Die Firma war von der CIA eigens dafür gegründet worden, ihr und anderen Agenten »Non Official Cover«, also »nichtoffiziellen Schutz« zu bieten. Frau Wilson-Plame, die für die CIA auf dem Gebiet der Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen arbeitete, tummelte sich als hochbezahlte »Energieberaterin« auf internationalen Konferenzen, wo sie Informationen abschöpfte und nützliche Kontakte herstellte.

Ärger über Niger-Bericht

Warum soll ausgerechnet der Stabschef des Weißen Hauses die Deckung einer bewährten CIA-Agentin wie Wilson-Plame preisgeben? Im Prinzip sollte ihr Ehemann Joseph Wilson diskreditiert werden. Der frühere US-Botschafter war vor dem Irak-Krieg im Auftrag des Geheimdienstes CIA nach Niger gereist, um den Vorwürfen nachzugehen, der damalige irakische Staatschef Saddam Hussein habe in dem westafrikanischen Land Uran für Atomwaffen zu beschaffen versucht. Nach seinen Vorortrecherchen kam Wilson zu der Erkenntnis, daß die Vorwürfe nicht zu halten waren. Als Bush dennoch an ihnen festhielt, bezog Wilson in einer Zeitungskolumne Stellung gegen den Präsidenten. Wenige Tage später tauchten dann der Name und Beruf seiner Frau in den Medien auf. Wilson sprach schon damals von einer Racheaktion der Regierung und nannte Rove als eine mögliche Quelle.

Präsident Bush hatte bereits vor einem Jahr erklärt, daß er jeden Mitarbeiter entlassen werde, der die Agentin preisgegeben habe. Mittlerweile versah er dies allerdings mit der Einschränkung, dies gelte nur für den Fall, daß eine strafbare Handlung begangen wurde. Demonstrativ stellte sich Bush hinter Rove. Schuldig im Sinn des Gesetzes macht sich nur, wer zuvor über die geheime Art des NOC-Einsatzes eines Agenten informiert war und die Sache dennoch ausplaudert. Daher ist der - oben erwähnte - Zusatz »S« neben dem Abschnitt über die wahre Tätigkeit von Frau Wilson-Plame in dem ans Weiße Haus geschickten Dokument des Außenministeriums so besonders wichtig.

Hintergrund: Rücktritt von Karl Rove gefordert

In der US-Politaffäre um die Enttarnung einer CIA-Agentin hat deren Ehemann, der frühere Botschafter Joseph Wilson, den Rücktritt von Präsidentenberater Karl Rove gefordert. Der Name seiner Frau sei vor zwei Jahren als Racheaktion für seine Kritik an der Begründung des Irak-Kriegs an die Medien verraten worden. Roves Anwalt Robert Luskin hat mittlerweile zugegeben, daß sein Mandant damals mit dem Journalisten Matthew Cooper vom Time-Magazin über Wilsons Frau gesprochen habe. Rove habe aber in dem Gespräch den Namen von Wilsons Frau nicht genannt.

Wilson hob hervor, daß seine Frau, die in den Medien unter ihrem Mädchennamen Valerie Plame bekannt ist, offiziell seinen Nachnamen angenommen habe. Deswegen tauge das Argument nicht, Rove habe in dem Gespräch den Namen der Agentin nicht genannt. »Er hat sie identifiziert«, so Wilson.

Noch Mitte Juli hatte Bush mit einer symbolischen Geste seinen unter massiven Druck geratenen Chefberater in Schutz genommen. Symbolträchtig war er Seite an Seite mit Rove vom Weißen Haus zu dem Hubschrauber marschiert, der beide in den US-Bundesstaat Indiana bringen sollte. Normalerweise schreitet der Präsident beim Gang zu seinem Helikopter immer weit vor seinen Gehilfen her, damit ihn die Kameras allein einfangen. Inzwischen verweigert das Weiße Haus unter Berufung auf die laufenden Ermittlungen jede Stellungnahme zu dem Fall.

Die Affäre hatte sich in den vergangenen Monaten zunächst sehr stark auf die Weigerung zweier Journalisten konzentriert, dem zuständigen Gericht die Namen ihrer geheimen Informanten zu verraten, mit denen sie über die Affäre gesprochen hatten. Cooper, der einen Artikel über die Affäre für die Online-Ausgabe von Time verfaßt hatte, sagte schließlich zu, über seinen Informanten auszusagen, da er von diesem dafür grünes Licht bekommen habe. Cooper entging dadurch in letzter Minute der Beugehaft. Seine Kollegin Judith Miller von der New York Times wollte dagegen ihr Schweigen nicht brechen und wurde deshalb ins Gefängnis geschickt.

Mittlerweile dreht sich alles um die Frage, wie tief Präsident Bush in »Plamegate« verwickelt ist.


 
  
 
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