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Todesstoß aus Washington


Von Marc Pitzke, New York

Täglich wächst die Wut der Flutopfer auf die schlecht organisierten US-Katastrophenschutzbehörden. Das chaotische Krisenmanagement hat eine Vorgeschichte: Misswirtschaft, Inkompetenz und Politgerangel führten nach dem Einschlag des Hurrikans "Katrina" zur Tragödie.

New York - Der Hurrikan hieß "Pam" und brachte eine Flutwelle mit sich, die Deiche durchbrach und New Orleans versinken ließ. Über eine Million Menschen mussten evakuiert werden. 600.000 Gebäude wurden zerstört. Dem Unwetter folgte eine Gesundheits- und Umweltkatastrophe: Das Brackwasser wurde zur Brutstätte für Bakterien und Krankheiten.

So geschehen im Juli vorigen Jahres - in einer fünftägigen Hurrikan-Übung der US-Katastrophenschutzbehörde Fema. Die Parallelen zu "Katrina" sind makaber, und sie sind für jeden seit dem 23. Juli 2004 auf der Fema-Website nachzulesen, in einem Bericht mit dem Aktenzeichen R6-04-093.

Nur in einem Punkt unterschied sich die Fema-Übung von der späteren Realität: Tote gab es nicht zu vermelden. "Wir haben", prahlte Fema-Regionaldirektor Ron Castleman damals, "in unseren Bereitschaftsbemühungen diese Woche mächtige Fortschritte gemacht."

Hehre Worte. Die Naturkatastrophe "Katrina" war vorhersehbar und vorhergesehen, die Krisenmanagement-Katastrophe vermeidbar. Daran trägt die Fema die größte Schuld, doch nicht die alleinige. Jahrelange Pannen, Misswirtschaft, Inkompetenz und Politgerangel auf allen Ebenen - Kommune, Bundesstaat, Regierung - vereinten sich letzte Woche zum schlimmstmöglichen Szenario. Die Amerikaner haben dafür einen Ausdruck, der wohl selten tragischer zutraf als jetzt: "The perfect storm."

Gespenstische Prophezeiungen

Was ist falsch gelaufen, und wann? Die Rückschau offenbart die Chronik einer angekündigten Katastrophe, die sich lange anbahnte, bevor "Katrina" vor der Westküste Afrikas erste Gestalt annahm - und lange bevor das Unglück in Louisiana und Mississippi seinen Lauf nahm.

"Ich glaube nicht, dass irgendjemand den Bruch der Deiche erwartet hat", sprach Präsident George W. Bush. Doch schon 1987 sah ein Artikel des Wochenblatts "New Yorker", jetzt noch mal abgedruckt, die Folgen eines Sturms à la "Katrina" mit Präzision voraus.

Anfang 2001 identifizierte Fema die drei "wahrscheinlichsten Katastrophen", die den USA drohten: ein Erdbeben in San Francisco, ein Terroranschlag in New York - das war Monate vor 9/11 - und, am verheerendsten, eine Sturmflut in New Orleans. Im Jahr darauf prophezeite die Lokalzeitung "Times-Picayune" in einer investigativen Serie das jetzige Desaster ebenfalls gespenstisch zutreffend. "Keiner kann sagen", so das Blatt diese Woche, "dass er es nicht kommen sah."

Von der Pferdezucht zum Katastrophenschutz

Trotzdem kürzte Bush die Ausgaben für Flutschutz in Süd-Louisiana um die Hälfte und die für New Orleans um 80 Prozent. Die Gelder wurden stattdessen in den Terrorschutz gesteckt. Die Deicharbeiten im Osten der Stadt mussten 2004 aus Geldnot eingestellt werden. Kürzlich kappte der Kongress den Deichbau noch weiter: Benötigt waren 27 Millionen Dollar. Bewilligt wurden 5,7 Millionen Dollar.

Der eigentliche Todesstoß für New Orleans kam im Januar 2003: Da verleibte Bush die zuvor unabhängige Fema dem neuen Heimatschutzministerium ein, einem Bürokratenmoloch aus 22 Einzelbehörden.

Das Ministerium, eine politische Geburt des 11. September 2001, verordnete einen Kurswechsel: Terrorschutz statt Katastrophenschutz. Die Fema verlor über 800 Millionen Dollar an Bereitschaftsgeldern für Notfälle. Noch eine Woche vor "Katrina" warnten Fema-Vertreter den im Januar von Bush ernannten Heimatschutzminister Michael Chertoff vor den "katastrophalen Folgen" der Demontage.

Bush installierte außerdem den Anwalt Michael Brown als Fema-Direktor. Brown einzige Qualifikation: Er war ein Protégé des Bush-Freundes Joseph Allbaugh, des ersten Fema-Chefs. Zuvor war er Funktionär bei der International Arabian Horse Association, einem Pferdezüchterverein. Browns Adlaten entsprangen ebenfalls der Bush-Seilschaft, bar jeglicher Katastrophenschutz-Kenntnisse.

Düsteres Déjà-vu der 9/11-Pannen

Das Schicksal von New Orleans war aber auch anderweitig längst besiegelt - ohne Zutun Washingtons. Die Verwaltung in New Orleans war durch Misswirtschaft und Korruption fast handlungsunfähig. Um die Bewohner der armen, tiefer gelegenen Bezirke, die von der Flut stärksten bedroht waren, kümmerte sich schon vor dem Hurrikan "Katrina" kaum jemand. Die Menschen in den "No-Go-Areas" der Südstaatenmetropole waren auch von lebenswichtigen Informationen abgeschnitten.

Auch das sollte sich bitter rächen: Alle Funk- und Telefonverbindungen der Notdienste brachen mit "Katrina" sofort zusammen - ein düsteres Déjà-vu: Die Pannen der New Yorker Polizei und Feuerwehr am 11. September waren dem nur zu ähnlich.

Da konnte auch die den Bundesstaaten unterstellte Nationalgarde nichts ausrichten. 40 Prozent der Zivilistentruppe ist derzeit im Irak im Kriegseinsatz - für Washington. Lieutenant Colonel Pete Schneider von der Nationalgarde in Louisiana sagte dem TV-Sender WGNO, seine Männer hätten das meiste Material in den Irak mitgenommen. Darunter Dutzende Geländewagen, Tanklaster und Generatoren.

Dabei kam "Katrina" nicht unangemeldet. Max Mayfield, der Direktor des National Hurricane Centers, alarmierte Chertoff und Brown schon Tage vor dem Einschlag des Hurrikans in mehreren Konferenzen über die tödlichen Konsequenzen.

Menschen und Material, ziellos im Chaos

Doch erst fünf Stunden, nachdem "Katrina" über New Orleans hinweggefegt war, hielt es Brown für nötig, Chertoff eine erste Depesche zu schicken. Darin bat er um gerade mal tausend Zusatzkräfte zur Unterstützung in diesem, wie er fand, "fast katastrophalen Ereignis" - explizit einräumend, dass das ja sowieso zwei Tage dauern werde, da diese Helfer erst mal eingearbeitet werden müssten. Ein Behördensprecher erläuterte das 48-stündige Beamtentraining so: "Du musst physisch in der Lage sein, in einem Katastrophengebiet und unter freiem Himmel arbeiten zu können."

Am Tag des Hurrikans wies Brown auch alle Rettungsdienste in Louisiana, Alabama und Mississippi an, vorerst niemanden in die Katastrophengebiete zu schicken, es sei denn, die Gemeinden wünschten das ausdrücklich. Dass diese Gemeinden von der Außenwelt abgeschnitten waren, war offenbar irrelevant.

Menschen und Material irrten ziellos durchs Chaos. Dan Wessel, ein Transportunternehmer für Hilfsgüter, sagte dem "Wall Street Journal", Fema habe ihm erst zwölf Stunden nach dem Sturm grünes Licht gegeben. Als seine Trucks in New Orleans angekommen seien, habe es keinen gegeben, der Wasser und Eis entladen habe. "Die Fahrer haben es selbst verteilt."

Fema wollte erst mal "nachdenken"

Tag für Tag wurde es schlimmer. Nicht nur in Biloxi/Mississippi standen bald handgemalte Schilder am Straßenrand: "Wo ist die Fema?" Deren Direktor will obendrein erst am Donnerstag erfahren haben, dass sich 20.000 Menschen in den Superdome geflüchtet hatten. Michael Beeman, ein örtlicher Fema-Koordinator, erklärte die Pannen später so: "Wir haben versucht, diesen Prozess erst mal durchzudenken", sagte er dem TV-Sender CBS.

Während Fema nachdachte, folgten über tausend Feuerwehrleute dem Hilferuf Nagins, des Bürgermeisters von New Orleans. Statt sie als Rettungskräfte zu nutzen, kommandierte Fema sie ab, um Flugzettel mit der Fema-Telefonnummer zu verteilen und als Kulisse hinter dem kurz eingeflogenen Bush zu stehen, der Fema-Chef Brown jovial beglückwünschte: "Brownie, du tust einen verdammt guten Job!"

Was dabei rauskam, illustriert auch ein anderes Beispiel. Brown leaste drei Kreuzfahrtschiffe der Carnival Cruise Lines, als Auffanglager für rund 6000 Obdachlose. Die Fema kniffelte sogar einen elaborierten Belegungsplan aus, wer auf welches Schiff komme. Doch die Evakuierten verzichteten dankend - keiner wollte nach der entsetzlichen Superdome-Odyssee noch auf ein Schiff.

Der Senator machte Stunk

Das Durcheinander hielt auch gestern weiter an. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE verliefen die Bergungs- und Rettungsarbeiten durch Hilfskräfte aus dem ganzen Land in Teilen von New Orleans unkoordiniert und schleppend. Die Fema gab unterdessen eine zentrale Anordnung heraus, wonach es Fotojournalisten untersagt wurde, Leichen zu fotografieren - ähnlich dem erst kürzlich aufgehobenen Bilderbann des Pentagons für aus dem Irak heimkehrende Soldatensärge.

"Dies ist ein grundlegendes Versagen der Katastrophenschutzverwaltung", wettert der Politologe Donald Kettl von der University of Pennsylvania - und denkt noch einen Schritt weiter. Die "Katrina"-Tragödie lege nahe, dass die gesamte US-Heimatschutzpolitik - gegen Natur wie Terror - "fundamentale Löcher hat".

Im Ort Pascagoula, der zu 80 Prozent zerstört ist, ist die Fema inzwischen eingerückt - nachdem der republikanische Senator Trent Lott, dessen Strandvilla in Pascagoula auch weggespült wurde, Stunk machte. Jetzt, berichtete CNN-Reporterin Rusty Dornin gestern, "ertrinkt Pascagoula in Hilfsgütern".


 
  
 
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