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9/11 - Politiker wollen US-Dozenten feuern


by spiegel.de

Die Anschläge vom 11. September habe die US-Regierung geplant und die CIA ausgeführt, irrlichtert ein Uni-Dozent in Wisconsin. Darf der das? Weg mit ihm, verlangen 61 Politiker. Der Mann bleibt, sagt seine Hochschule und schwört auf die akademische Meinungsfreiheit.

Kevin Barrett freut sich über den Aufruhr, den er mit seinen kontroversen Interviews verursacht hat. Endlich höre eine breite Öffentlichkeit seinem Netzwerk von 9/11-Truth-Aktivisten zu, erklärte er dem "Wisconsin State Journal".

Der 47-jährige Dozent der University of Wisconsin-Madison behauptet, die Terroranschläge vom 11. September 2001 seien ein "inside job" gewesen - von der US-Regierung geplant und ausgeführt, um einen Feldzug gegen den Terror zu provozieren. Der wahre Strippenzieher hinter den Anschlägen sei Vizepräsident Dick Cheney. Das klingt krude, und Barrett kann seine These auch nicht stringent belegen. Seine Argumente puzzelt er in bester Verschwörungstheoretiker-Manier zusammen: Er montiert die Fakten, die er braucht, zitiert allerlei andere "alternative Autoren" - und nennt alle, die ihm nicht glauben, blind. Seine vermeintlichen Beweise gegen die offizielle Version von 9/11: Noch zwei Monate vor den Anschlägen habe ein CIA-Agent Osama Bin Laden besucht. Das Feuer allein hätte die Türme des World Trade Center nicht zum Einsturz bringen können. Die Todespiloten seien eine "Truppe von Verlierern" gewesen und hätten gar keine Flugzeuge steuern können. Mohammed Atta, der Kopf der Terrorzelle, habe Schweinefleisch gegessen und sich mit Stripperinnen umgeben. Daher könne er kein islamischer Fundamentalist gewesen sein.

Seine verwegenen Argumente untermauert Barrett mit seinem akademischen Grad; er hat einen Doktor in afrikanischer Sprache, Kultur und arabischer Literatur abgelegt. Bei einem Stipendienaufenthalt in Marokko habe er Informationen aus Diplomatenkreisen sammeln können, die dafür sprächen, dass ein Großteil der angeblichen Attentäter vom 11. September noch lebe, erklärte er in einem Interview.

Darf ein Verschwörungstheoretiker lehren?

Und er weiß es noch genauer: "Der wahre Osama Bin Laden ist bereits seit 2001 oder 2002 tot", schrieb der Dozent im Februar in einem Gastbeitrag für die "Capital Times"; Bin Ladens Videobotschaften seien vom US-Geheimdienst gefälscht. Indiz: Der Terrorfürst sei auf der ersten Botschaft nach den Anschlägen zu dick.

Doch erst ein abendfüllendes Radiointerview im Juni, in dem Barrett seine Thesen erschöpfend ausbreiten konnte, verschaffte ihm die ersehnte Aufmerksamkeit anderer Medien - und den Zorn der Politiker in Wisconsin. Kern des Streites: Darf ein Mann mit solchen Ansichten Studenten unterrichten? Denn Barrett soll ab 28. August einen Einführungskurs zum Thema "Kultur und Religion des Islam" an der University of Wisconsin- Madison halten.

61 Politiker des Bundesstaates, 60 von ihnen Republikaner, sagen: Das geht auf keinen Fall. Sie forderten die Uni in einer Resolution dazu auf, dem Dozenten zu kündigen. Er benutze "seine Position an der Universität, um seine Ansichten in den Vordergrund zu rücken", heißt es in dem Papier.

Barrett "sei peinlich für die Universität und die Menschen in Wisconsin", schrieb der federführende Kritiker, der republikanische Abgeordnete Steve Nass, an den demokratischen Gouverneur des Bundesstaates. Das Verhalten der Universitätsleitung sei eine Schande, der "mangelnde Respekt gegenüber der Ansichten der Steuerzahler und ihrer gewählten Vertreter nicht akzeptabel".

"Wissen wächst, wenn man streitet"

Die Uni will sich von der Resolution nicht einschüchtern lassen und beruft sich auf die akademische Freiheit. "Wir können nicht zulassen, dass politischer Druck von Kritikern unpopulärer Ideen den freien Austausch von Meinungen verhindert. Das würde die Tür für noch schwerere und umfassende Einschränkungen öffnen", erklärte Verwaltungschef Patrick Farrell in einer Stellungnahme. Obwohl die Universität die Ansichten des umstrittenen Dozenten keineswegs teile, solle Barrett bleiben. Auch die Studenten seien durchaus in der Lage, unkonventionelle Ideen zu analysieren und sich ihre eigene Meinung zu bilden: "Wissen wächst, wenn man über Meinungen streitet", sagte Farrell.

Zudem habe Barrett auch in früheren Lehrveranstaltungen seine persönlichen Ansichten stets vom Lehrstoff getrennt, das habe eine zehntägige Überprüfung durch die Universitätsleitung ergeben, so Farrell weiter. In der Vorlesung zum Thema Islam sei lediglich eine Woche zu den Terroranschlägen geplant. In dieser Zeit wolle sich der 47-Jährige sowohl mit allgemein anerkannten, offiziellen Positionen als auch mit den Verschwörungstheorien verschiedener Autoren beschäftigen.

Auch Professor Mohammed Memon, den Barrett mit seiner Islam-Vorlesung vertritt, sieht seine Studenten in guten Händen. Barrett habe schon früher für ihn gearbeitet, es habe nie Beschwerden über seine politischen Ansichten gegeben, sagte er dem "Wisconsin State Journal".

Kevin Barrett ist Mitbegründer der Gruppe Muslim- Jewish- Christian Alliance for 9/11 Truth (MUJCA), die eine neue Untersuchung der Terroranschläge fordert. 1992 trat er zum Islam über.

Die Freiheit der Rede und Meinungsäußerung sind im ersten Zusatz zur Verfassung der Vereinigten Staaten festgeschrieben, und darauf hält die US-Gesellschaft traditionell große Stücke. Seit den Terroranschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon haben Professoren immer wieder über die Beschneidung ihrer akademischen Freiheit geklagt, etwa wenn sie die US-Außenpolitik kritisierten. Auf der anderen Seite sind die Stellungnahmen einzelner Hochschullehrer für die amerikanische Öffentlichkeit nur schwer erträglich. So schwelt in Colorado seit über einem Jahr ein Streit um Professor Ward Churchill, der die Opfer der Anschläge vom 11. September in einer ebenfalls abenteuerlichen Argumentation mit dem Nazi-Schergen Adolf Eichmann verglichen hat.

Ein Untersuchungskomitee hat kürzlich seine Entlassung empfohlen, wegen grober Verfehlungen in Forschung und Lehre. Churchill will bleiben. Die Universitätsleitung hat sich noch nicht entschieden.

agö


 
  
 
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