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Die Schatten von Abu Ghraib holen Bushs Mannschaft ein


Die Misshandlung von Gefangenen wurde auf höchster Ebene in Washington autorisiert. Womöglich droht den Drahtziehern nun Strafverfolgung im Ausland.

John Yoo, Regierungsanwalt im amerikanischen Justizministerium, wagte sich weit vor: Als Folter definierte Yoo im August 2002 in einem Gutachten für George W. Bushs Rechtsbeistand Alberto Gonzalez lediglich «Verletzungen wie etwa Tod, Organversagen oder ernsthafte Beeinträchtigungen körperlicher Funktionen». Die weitgefasste Meinung des Advokaten deckte sich mit der seiner Vorgesetzten: Systematisch höhlte die Regierung Bush im Gefolge des «Kriegs gegen Terror» internationale Rechtsnormen gegen die Misshandlung von Gefangenen aus. Und was immer in Abu Ghraib, in Guantánamo, im afghanischen Baghram oder in den klandestinen Gefängnissen der CIA geschah: Stets wurden Misshandlung und Folter von Terrorverdächtigen wie Unschuldigen als Vergehen niedriger Chargen heruntergespielt, bestraft wurden nur untere Dienstgrade.

Immer klarer aber wird erkennbar, dass brutale Vernehmungstaktiken und Folterungen von oben abgesegnet wurden - was ranghohe Mitglieder der Regierung Bush nun in juristische Bedrängnis bringen könnte. So befand etwa der pensionierte Generalmajor Antonio Taguba - er hatte die Ermittlungen in Abu Ghraib geleitet - im Vorwort zu einem in der vergangenen Woche publizierten Folter-Bericht der amerikanischen Menschenrechtsgruppe «Physicians for Human Rights», nach Jahren der Enthüllungen gebe es «keinen Zweifel», dass die Regierung Bush «Kriegsverbrechen begangen hat». Die «einzig offene Frage» bleibe, «ob diejenigen, welche die Folter befahlen, zur Rechenschaft gezogen werden».

Pinochet als Präzedenzfall

Ähnlich urteilte der demokratische Senator Carl Levin (Michigan), der vorige Woche als Vorsitzender des Streitkräfteausschusses Anhörungen zu den Ursprüngen der amerikanischen Folterpolitik anberaumt hatte: «Die Wahrheit ist, dass hochrangige Beamte in der amerikanischen Regierung Informationen über aggressive Vernehmungstaktiken einholten, das Recht verdrehten, um diesen Methoden Legalität zu verleihen, und ihre Anwendung autorisierten».

Als Architekt der Rechtsbeugung fungierte dabei eine Gruppe von Regierungsanwälten, der neben Yoo auch David Addington, heute Stabschef von Vizepräsident Dick Cheney, sowie William Haynes, der Rechtsberater des früheren Pentagon-Chefs Donald Rumsfeld angehörten. Auf Anweisung von ganz oben konstruierten sie ein Rechtsgefüge, das geltende internationalen Verpflichtungen missachtete, gleichzeitig aber ihre Dienstherren wie die Folterer bei der CIA und den Streitkräften vor rechtlichen Konsequenzen schützen sollte.

Nun muss der Advokatenverein mitsamt dem Präsidenten fürchten, dass ihnen trotz aller rechtlichen Absicherungen ein Strick gedreht werden könnte - und zwar im Ausland. Denn seit der Anklageerhebung gegen den chilenischen Diktator Augusto Pinochet durch den spanischen Richter Baltasar Garcon gilt die Doktrin der «universalen Jurisdiktion», Anklagen wegen Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschheit sind somit überall möglich, wo Magistrate Ermittlungen einleiten und fündig werden.

Armee und FBI protestierten

Vor Levins Ausschuss am vorletzten Dienstag vernebelte Rumsfeld-Rechtsberater Haynes seine Mitverantwortung an den illegalen Verhörmethoden nach Kräften: Serienweise setzte das Gedächtnis des Juristen vor dem Ausschuss aus, oft schob er Unkenntnis vor. Und klar ersichtlich wollte der inzwischen aus dem Regierungsdienst ausgeschiedene Haynes belastende Antworten vermeiden. Dass nicht gefoltert worden sei, wie Präsident Bush wiederholt betont hat, erweist sich inzwischen jedoch als unwahr: Von Anbeginn der verschärften Vernehmungstechniken protestierten die Rechtsabteilungen der amerikanischen Streitkräfte vehement gegen die Methoden und bezeichneten diese als Folter oder fast Folter. Auch das FBI legte Protest gegen die «verschärften» Verhöre ein und prangerte deren zu weit gezogene Grenzen an.

«Von wem sonst kann die Einhaltung des Folterverbots erwartet werden, wenn es nicht von den Vereinigten Staaten eingehalten wird?», begründet der renommierte New Yorker Menschenrechtsanwalt Scott Horton die Forderung nach rechtlichen Konsequenzen für die Verantwortlichen der Folterverhöre. Vor dem Ende von Bushs Amtszeit im Januar 2009 werde nichts unternommen werden, vertraute ein europäischer Magistrat Horton an. «Aber wenn eines unserer Ziele auf unserem Territorium landet oder auf dem Territorium eines Staats, der mit uns kooperiert, dann werden wir handeln».

Auch Colin Powells ehemaliger Stabschef, Oberst a.D. Larry Wilkerson, empfiehlt den Architekten der illegalen Verhörmethoden, Auslandsreisen künftig sorgsam zu planen: «Sie sollten die Vereinigten Staaten nicht verlassen, Saudiarabien und Israel ausgenommen», rät Wilkerson. Doch juristisches Ungemach droht unterdessen sogar in der Heimat: Für Mitte September hat der Dekan der Rechtsfakultät der «Massachusetts School of Law» in Andover, Massachusetts, eine Konferenz einberufen, bei der Anklageerhebungen gegen Bush und Konsorten geprüft und vorbereitet werden sollen. «Pläne werden ausgearbeitet und die nötigen Strukturen geschaffen werden, um die Schuldigen so lang wie nötig und  falls notwendig  bis ans Ende der Welt verfolgen zu können», droht Dekan Lawrence Velvel den Washingtoner Regierenden.


 
  
 
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