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Passgenaue Provokationen - kommender Schweizer Künstlerkomet?


Von Anne Haeming

Er ist Schweizer, lebte als Fahnenflüchtling jahrelang illegal in Berlin und erfand eine neue, spektakuläre Form des Malens in der dritten Dimension: Adam Tellmeister ist im Begriff, den Kunstmarkt aufzumischen. Porträt eines Provokateurs mit seherischen Fähigkeiten.

Er könnte sofort losfahren. Von Berlin aus auf die Autobahn A9 nach Süden, über Nürnberg, Karlsruhe, Freiburg und dann immer geradeaus. Wenn alles gut liefe, wäre er in knapp neun Stunden dort, wo er vor 22 Jahren aufgebrochen ist: im Emmental.

Adam Tellmeister ist Schweizer. Und ohne die Schweiz wäre der 47-Jährige nicht der, der er heute ist - als Person wie als Künstler. Der Mann, der mit seinem Lockenpony ein wenig aussieht wie Ronnie Wood von den Rolling Stones, spricht Deutsch mit Schweizer Akzent. Er trägt die eidgenössische Gründungsfigur im Namen, auf der Rückseite seiner Visitenkarte prangt das Schweizer Wappen. Nur einen Pass hat er nicht. Und genau dieser Mangel dominierte sein Leben.

"Die sind noch von der EM", sagt Adam Tellmeister und deutet auf die zwei Schweizer Fähnchen, die vor seinem offenen Hoffenster im Kasten mit den Stoffblumen stecken. Er kommt gerade vom Malen, Hose, Arme, T-Shirt sind übersät mit Farbflecken. Um seinen Hals baumeln Kopfhörer, solche fürs Innenohr, die einem das Gefühl geben, von Musik umgeben zu sein. "Gregorianische Gesänge funktionieren am besten", sagt er. Seine Werkstatt liegt ein paar Straßen weiter, "meine Geheimkammer".

Aufregende Perspektiven

Als Showroom dient sein zweites Atelier, im Erdgeschoss eines Berliner Hinterhauses. Die Fenster sind verhängt, es ist dunkel. Ein weißes Gemälde, fast raumbreit, lehnt an einer Wand, davor ein Bürostuhl. Man könne seine Bilder nicht fotografieren, sagt er, sie seien nur im Moment erlebbar. Er reicht eine Art Schutzbrille, das rechte Glas fehlt. "Augen zu!", kommandiert er, justiert mit der Fernbedienung das Licht. Dann: "Augen auf!"

Wo zuvor nur eine Leinwand mit weißer Farbe war, taucht nun etwas komplett anderes auf. Eine pastorale Landschaft, Bogenschütze, eine Kuh, Einschusslöcher. Das neue Bild, so scheint es, ragt in den Betrachterraum. "Airbag für Wilhelm Tell", so der Titel.

"Mit Hologrammen und 3D im klassischen Sinn hat das nichts zu tun", sagt Tellmeister. Er hat als Freskenmaler gearbeitet, die Fassaden von Ostberliner Altbauten verputzt, damals nach der Wende, in der Ära der "Instandbesetzung". Zufällig entdeckte er, dass die richtige Mischung aus Kalk, Bleiche und Lichteinfallswinkel eigentümliche Raumwirkungen auslöst. Er sei "Erfinder einer noch unbekannten Tiefenschärfe in den dreidimensionalen Raum durch den Pinsel", diktiert er.

Neben Ghettoblaster und Malutensilien steht noch ein Tablett im Atelier. Die Sektflasche ist leer, die drei Kelche angestaubt. Es gab etwas zu feiern, "ein Happy End", sagt Tellmeister. Das Ende einer Flucht. Er sei ein "Flüchtling aus dem Musterland der Demokratie", schrieb der SPIEGEL 1987.

Ein Jahr zuvor war Adam Tellmeister aus der Schweiz geflohen. Kriegsdienst wollte er nicht leisten, Zivildienst gab es damals in der Schweiz noch nicht. Er schlug sich über Venedig ins Ruhrgebiet durch, beantragte in Essen politisches Asyl, floh weiter nach Amsterdam. Bei einem kurzen Schlenker zurück in die Schweiz verhaftete man ihn wegen Fahnenflucht. Kurz vor der Anhörung riss er aus, diesmal Richtung Berlin.

Die Kunst des Fliehens

In seiner Heimat war er seither nicht mehr, der Kontakt zur Familie brach ab. Als 1992 in der Schweiz doch der Zivildienst eingeführt wurde, lebte Tellmeister schon drei Jahre im Berliner Untergrund, ein "Sans-Papier": Sein Pass war im Behördendschungel verschwunden.

Immer dachte er, "nächstes Jahr" sei es soweit, dann könne er zurück. Immer kam etwas dazwischen. Der Mauerfall. Oder die Sexaffäre des Schweizer Botschafters. Dem hatte der damalige deutsche Außenminister Joschka Fischer auf einer Spreefahrt Tellmeisters Unterlagen in die Hand gedrückt.

Vor ein paar Monaten erfuhr Tellmeister, dass es endlich klappen würde. Seit wenigen Wochen gibt es ihn nun, seinen Schweizer Pass, mit seiner neuen Identität. Denn offiziell existierte ein Mann namens Adam Tellmeister nicht. Auf Vernissagen schickte er Doubles vor, am Klingelschild steht "Wittig", an der Tür "Knut und Jacqueline Mittelstädt", am Atelier "Kammerer". Sein Familienname ist "Meister", seinen Taufnamen schwärzt er in Unterlagen konsequent.

In Amsterdam nannten sie ihn "Swiss Tell", und sein Künstler-Pseudonym "G.P. Adam" ist die Kurzform von "Gemeindepolizei Amsterdam". Er habe sich diese neue Identität zulegen müssen, sagt er, nach der Flucht, "ich kann psychologische Gutachten vorlegen". Wenn er seinen Nachnamen ausspricht, klingt es wie Tell-Meister, und er meint es auch so: Die Sicht auf sein Land liegt in seiner Hand.

Sich durchboxen in Berlin

Der Exil-Schweizer lebt seit 1989 in Berlin, im Stadtteil Prenzlauer Berg, einst DDR-Gebiet. Vor der Wiedervereinigung kam Tellmeister her, er mietete ein Zimmer in der Straße, in der er heute noch wohnt. Auf den Gehwegen fast nur junge Frauen, die Kinderwagen, Dreiräder oder dicke Bäuche vorbeischieben.

Seine Wohnung liegt in einem typischen Berliner Seitenflügel. Den Treppenflur blockiert eine Kommode, daneben Lenins "Ausgewählte Werke" Band 1 bis 3, ein paar Bierflaschen. "Alles Tarnung", sagt Tellmeister. "Damit keiner denkt, hier sei etwas zu holen." Türen gibt es nicht in seiner Wohnung, oder sie stehen offen. Wände und Decke sind bedeckt mit riesigen Zeichnungen. Abstraktionen in Kohleschwarz, ineinander verschlungene Körper, wiederkehrende Motive. Nichts ist hier kantig und hart, außer Adam Tellmeisters Statur vielleicht. Er boxt, seit er 16 ist, an der Leine vor dem Fenster hängen zwei rote Faustbandagen. Eine Überlebensstrategie, er ist allzeit bereit.

Ein Boxer definiert sich über seine Gegner. Die Schweiz mit ihren "Gesslerjungs", so Tellmeisters Jargon, war die eine Sache. Nun sind die Kollegen dran. "Die Leipziger Schule ist ein Aquarellverein", ist einer seiner Standardsätze, ein Werk heißt "Viele Grüße nach Leipzig". Nur auf den ersten Blick sieht es nach Neo Rauch aus, im richtigen Licht wie ein Kirchenfresko. Neo Rauch, einer der Stars der Leipziger Schule, ist sein Lieblingsgegner, "Hedgefonds-Künstler", nennt er ihn. "Man muss fest im Sattel sitzen, wenn man mit dem Säbel rasseln will", sagt Tellmeister.

Jahrelang musste er in Deckung bleiben. Jetzt geben sich Medienleute und Galeristen die Klinke in die Hand. Auf diesen Moment hat er hingearbeitet. Alles musste sitzen: das System aus LEDs und Bauchemie-Verdünnungen, die 40 Schichten Farb-Material-Mix, die Pigmente, die Licht speichern. Er musste wissen: Das schlägt ein wie eine Bombe. "Die sollten zuerst denken: Was für eine Stümperei!, wenn sie das Bild bei normalem Licht sehen", sagt er, grinst und deutet auf die unscheinbare weiße Farbfläche. Und dann eine Offenbarung erleben.

Auf Tellmeisters Kommode in der Küche schichten sich gut sichtbar die Visitenkarten der Besucher der letzten Wochen. Horst Bredekamp, einer der Stars der Kunstwissenschaften, sei da gewesen, erzählt er, und Samuel Keller, der Ex-Chef der "Art Basel" und jetzt Direktor des Basler Privatmuseums Foundation Beyeler.

Und der Pass? Liegt bei seinem Anwalt im Safe. Adam Tellmeister lässt sich Zeit, zwanzig Minuten hat er allein für die Ausweisunterschrift gebraucht. Er muss sein Leben neu planen. Erst am 6. Dezember will er sich seinen Pass feierlich überreichen lassen, eingebacken in ein Brot, eine "Dynastiegründung" nennt er die Performance. Erst im Mai 2009, so der Plan, wird er bereit sein für die Reise in die Heimat. Sie soll endgültig sein.

"Ich muss mich mental darauf vorbereiten", sagt er. Er kommt aus einer Schweiz, die noch nicht UNO-Mitglied war, in der man noch nicht mit schrillbunten Frankenscheinen bezahlte. Roger Federer war gerade mal fünf, Max Frisch noch nicht tot und Zivildienst ein Fremdwort.

Am Nationalfeiertag am 1. August hat er schon einmal geübt: Er war eingeladen zur offiziellen Feier in der Schweizer Botschaft in Berlin, es hat ihm ganz gut gefallen. Zurzeit überschlägt er sich in kreativem Aktionismus, plant Aktionen, wie die Sache mit den "Heimatpaketen", die andere Schweizer Künstler für ihn zusammenstellen, und seine Retrospektive in Luzern fürs nächste Jahr ist auch schon in der Mache. Mittlerweile musste er sogar jemanden einstellen, für all die E-Mails.

Zur Akklimatisierung will Adam Tellmeister dann im Mai erst einmal ein paar Wochen auf eine Alm. "Ich will meine Militärakte lesen und entkriminalisiert werden", sagt Tellmeister. "Und ich werde Wilhelm Tell rückwirkend wegen versuchter Kindstötung anzeigen."

Er könnte jetzt endlich mal nur sein neues Selbst sein. Er muss nur ins Auto steigen und losfahren. Irgendwann, nächstes Jahr.


 
  
 
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