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Rumsfeld bohrt in offenen Wunden


Von Severin Weiland

Donald Rumsfeld kann es nicht lassen. Bei seinem Deutschland-Aufenthalt attackierte der US-Verteidigungsminister erneut das alte Europa und wetterte gegen ein belgisches Kriegsverbrecher-Gesetz. Kein gutes Omen für die Nato-Tagung in Brüssel.

Berlin - Wenn Donald Rumsfeld das Wort ergreift, ist eines sicher: Irgendwann kommt der Punkt, wo der US-Verteidigungsminister die Sprache der Höflichkeitsfloskeln hinter sich lässt. So auch am Mittwoch, als er zum zehnjährigen Bestehen des Europäischen Instituts für Sicherheitsstudien in Garmisch-Patenkirchen sprach. Eine "gefährliche Entwicklung" nannte er jenes belgische Gesetz zur Verfolgung von Kriegsverbrechen, das die US-Regierung aufbringt. In dem Benelux-Staat hatten jüngst irakische Hinterbliebene von zivilen Bombenopfern gegen den US-Kommandierenden im Irak-Krieg, Tommy Franks, Klage wegen Kriegsverbrechen erhoben. In Belgien konnten bislang Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesetzlich verfolgt werden - unabhängig davon, wo und von wem sie begangen wurden.

Doch nach massivem Druck aus Washington war der Geltungsbereich des Gesetzes wieder eingeschränkt worden - nunmehr gilt es für belgische Staatsbürger. Fälle aus anderen Ländern können an die dortigen Strafverfolgungsbehörden abgegeben werden. Die belgische Regierung überstellte daraufhin den Fall Tommy Franks an die US-Justizbehörden - wo er mit allergrößter Wahrscheinlichkeit versanden wird.

"Wer weiß, wer vor dieses Gericht gestellt werden könnte", fragte sich Rumsfeld am Mittwoch in Garmisch-Patenkirchen. Mit seinem Verweis auf die belgische Gerichtsbarkeit kritisierte Rumsfeld indirekt auch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Dort genießen die USA Sonderrechte - ihre Uno-Blauhelm-Truppen können keiner Strafverfolgung unterliegen. Erst vor wenigen Tagen hatte die US-Regierung in der Uno um eine Verlängerung der Immunitätsregelung um ein Jahr gebeten.

Rumsfelds Bemerkung zu Belgien zeigt: Der Dissens über die Rolle der internationalen Staatengemeinschaft brodelt weiter. Erneut sprach der US-Verteidigungsminister vom "alten Europa". Zwar vermied er es diesmal - im Gegensatz zu seiner berühmten Pressekonferenz in Washington vor dem Irak-Krieg, Deutschland dazu zu zählen. Doch war seine Ansprache für deutsche Ohren deutlich genug. Der Unterschied zwischen dem neuen und alten Europa, so der Falke aus dem Pentagon, sei die Sichtweise auf die transatlantische Partnerschaft.

Die deutschen und amerikanischen Beziehungen seien dabei, sich zu normalisieren, hatte Rumsfeld vor Beginn seiner Rede erklärt. Im Tagungsraum des Sicherheitsinstituts lobte er denn auch das "gemeinsame Erbe der Freiheit und der Demokratie" zwischen Amerikanern und Europäern, stellte nüchtern fest, dass die Mitglieder, einer Familie ähnlich, "manchmal verschiedener Meinung" sein können.

Weitaus stärker legte sich Rumsfeld für die neuen Länder aus dem Osten ins Zeug. Sie brächten "neue Energie" in das Bündnis. Deutschlands Verteidigungsminister Peter Struck war in seiner Replik um Ausgleich bemüht. In der Irak-Frage habe es unterschiedliche Auffassungen gegeben, aber eine "Freundschaft wie die unserige hält das aus", gab er "Don", wie er ihn nannte, mit auf den Weg. Struck wiederholte jene Zauberformel, mit der die führenden rot-grünen Regierungsmitglieder das Verhältnis zu entkrampfen suchen: "Wir richten jetzt den Blick nach vorne."

Am Donnerstag wird sich zeigen, inwieweit die Nato die Krise, in die sie durch den Kurs der USA und den Widerstand von Frankreich, Deutschland und Belgien geraten ist, überwunden hat. Ein Punkt der zweitägigen Beratungen ist das Konzept zum Aufbau einer schnellen Eingreiftruppe.

Irritiert hatten die Amerikaner in den vergangenen Tagen beobachten müssen, wie die EU schnell und rasch und ohne Rückgriff auf die Nato sich zu einem Truppeneinsatz im Kongo verständigte. An vorderster Stelle mit dabei: die drei Hauptkritiker Washingtons - Frankreich, Belgien und Deutschland. Der Kongo-Einsatz könnte ein Vorläufer sein für die geplante EU-Eingreiftruppe. Die Nato-Eingreiftruppe hingegen ist ein Projekt, das vor allem die USA forcieren - und von dem die Europäer befürchten, dass es zum Anhängsel einer unilateralen Politik Washingtons werden könnte.

Die Themenpalette in Brüssel steht weitestgehend unter dem Gesichtspunkt einer sich zu weltweiten Einsätzen rüstenden Allianz. Neben der Straffung der neuen Nato-Kommandostruktur wollen Amerikaner über die von Polen geführte Friedenstruppe für den Irak sprechen. Zugleich unterzeichnen die Minister auch eine Absichtserklärung zur Verbesserung der strategischen Lufttransport-Unterstützung. Danach will die Nato - mangels bislang eigener Kapazitäten - langfristige Charter-Verträge mit der Ukraine abschließen - die Federführung dabei liegt bei Deutschland.

Kriegsgrund-Debatte: Struck hält sich bedeckt

Wohl nur am Rande wird die Irak-Nachbetrachtung eine Rolle spielen. Struck hatte zwar am Mittwochmorgen im ZDF-"Morgenmagazin" nicht ausgeschlossen, dass auch über die umstrittenen Geheimdienstberichte zum Irak gesprochen wird. Doch war er bemüht, an dieser Stelle die ohnehin in den USA und Großbritannien erhitzte öffentliche Debatte über möglicherweise manipulierte Berichte nicht durch deutsche Stellungnahmen anzuheizen. Es stehe ja auch noch nicht fest, dass es keine Massenvernichtungswaffen im Irak gegeben habe, so Struck. Man müsse "die Entwicklung abwarten", schließlich hätten die Alliierten nach Ende des Zweiten Weltkriegs erst Monate später in Deutschland Chemiewaffen-Lager gefunden.

Ein Härtetest wird auf der Nato-Tagung das Thema der Umstrukturierungen sein. Die Zahl der Nato-Hauptquartiere soll weltweit um neun reduziert werden. Das bedeutet in vielen Ländern ein Verlust an Kaufkraft und an Arbeitsplätzen. Ob Deutschland davon betroffen ist, darüber gibt es widersprüchliche Angaben. In Brüssel wurde dies zwar dementiert, im "Wall Street Journal" vom Dienstag dieser Woche las es sich anders. Insbesondere die Städte Heidelberg, Wiesbaden, Würzburg und Grafenwöhr seien von den Kürzungen betroffen, so das Blatt. Zurzeit sind noch 70.000 US-Soldaten in Deutschland stationiert - im Gespräch ist eine Reduzierung um 75 Prozent.

Bestritten wird von der US-Seite, dass die Pläne mit der deutschen Haltung vor und während des Irak-Krieges in Verbindung stehen. Die Verlegung der Truppen, etwa in die neuen osteuropäischen Partner, wird mit den neuen strategischen Herausforderungen nach dem 11. September 2001 verteidigt. Doch schwingen wohl auch andere Gründe mit.

So hat das Pentagon in den vergangenen Monaten wiederholt durchsickern lassen, dass die Umweltstandards in Deutschland zu hoch und die Möglichkeiten für Truppenübungen zu begrenzt sind. In Osteuropa, namentlich Ungarn und Polen, gibt es aus Sicht der US-Stäbe offenbar bessere Bedingungen. Waren das nur Muskelspielereien, um den Partner während des Irak-Kriegs zu verunsichern? Klar ist auch vielen US-Militärs, dass ihre Stützpunkte in Deutschland unter den Soldaten beliebt sind. Die Infrastruktur stimmt, das Verhältnis zu örtlichen Bevölkerung auch. Zudem würde ein Abzug sehr viel Geld verschlingen.

In Brüssel hieß es, Deutschland müsse mit keinen Einschnitten rechnen. Die großen Hauptquartiere in Ramstein und Heidelberg sollen bestehen bleiben. Schließungen seien hingegen vorgesehen in Norwegen, Dänemark, Italien, den USA und Großbritannien. Eine Einigung über das neue Strukturkonzept steht jedoch noch aus. Bislang blockieren Spanien und Griechenland. Sie fühlen sich durch die Planungen benachteiligt.


Irak - Der Diktator kehrt zurück

Nach ihrem Einmarsch in Bagdad versuchten die Alliierten, das Konterfei von Saddam Hussein aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Inzwischen ist der irakische Diktator wieder allgegenwärtig - auf frisch gedruckten 250-Dinar-Banknoten.

Bagdad - Den Auftrag für den Druck der Geldscheine gab die US-Übergangsregierung, um den akuten Engpass an Bargeld zu beseitigen, der die irakische Wirtschaft vollends lahm zu legen drohte. 250-Dinar-Noten sind derzeit das einzige akzeptierte Zahlungsmittel. Da sie aber lediglich 25 Cent wert sind, werden bei größeren Geschäften regelmäßig gleich kofferweise Geldbündel fällig - viele Geschäfte konnten schon deshalb nicht abgewickelt werden, weil nicht genügend Geldscheine in Umlauf waren. In der Eile schafften es die irakischen Zentralbanker aber nicht, eine Banknote zu gestalten, die der neuen Etikette entspricht - es gibt schlicht keine Institution, die die Vollmacht dafür hat. Die Folge: Saddam, seit Kriegsbeginn spurlos verschwunden, taucht plötzlich freundlich lächelnd auf Millionen frisch gedruckter 250-Dinar-Scheine auf.

Dabei ist eigentlich genug anderes Geld im Umlauf. Bisher hatten die Iraker für ihre Geschäfte hauptsächlich den den 10.000-Dinar-Schein benutzt, der umgerechnet rund zehn Dollar wert ist. Den akzeptiert inzwischen jedoch niemand mehr. Zu verbreitet ist die Angst, statt echten Geldes Blüten zu erwischen, denn die Banknote ist offenbar besonders einfach zu fälschen. Außerdem, so befürchten die irakischen Geschäftsleute, könnte er bald offiziell für ungültig erklärt werden, um denjenigen die Beute aus der Hand zu schlagen, die während der Plünderungen nach dem Einmarsch der Alliierten Truppen tonnenweise Papiergeld aus den Tresoren der Banken geschleppt hatten.

Als Folge dieses verbreiteten Misstrauens spielen die Iraker zurzeit schwarzer Peter: Jeder versucht, seine 10.000-Dinar-Scheine loszuwerden - koste es, was es wolle. Nach Auskunft von Kaufleuten in Bagdad bekommt man dafür lediglich noch 70 Prozent des Nennwertes. Vor den Banken bildeten sich bereits lange Warteschlangen von Irakern, die ihre 10.000-Dinar-Scheine eintauschen wollten. In einigen Fällen mussten US-Soldaten die aufgebrachte Menge im Zaum halten.

Für eine gewisse Beruhigung konnte am Montag erst Zentralbank-Gouverneur Faleh Salman sorgen. Er versicherte der aufgebrachten Menge, zurzeit seien Lastwagen-Konvois mit 250-Dinar-Noten unterwegs, die die Nachfrage decken werden. 10.000-Dinar-Scheine würden auch in Zukunft zum vollen Wert eingetauscht.


US - Kehrtwende in der Kriegsbegründung

George W. Bush hat seinen Kurswechsel bei der Begründung des Irak-Kriegs bekräftigt. Der US-Präsident redet nicht mehr von großen Mengen an irakischen Massenvernichtungswaffen, sondern sieht den Krieg nun schon durch die Existenz von "Waffenprogrammen" begründet.

Washington - Bush wies die Berichte über eine angebliche Übertreibung bei der vom Irak vor der Invasion ausgehenden Gefahr strikt zurück. "Der Irak hatte ein Waffenprogramm. Geheimdienst-Erkenntnisse über das letzte Jahrzehnt haben gezeigt, dass sie ein Waffenprogramm hatten", betonte Bush. Damit zementierte Bush eine Kehrtwende, die er bereits in seiner Rede zur 300-Jahr-Feier von St. Petersburg angedeutet hatte. Während der Präsident früher stets die irakischen Arsenale an Chemie- und Biowaffen als Kriegsgrund angeführt hatte, spricht er jetzt nur noch von Waffenprogrammen. Bush betonte, er sei auch "absolut überzeugt" davon, dass die Koalitionstruppen im Laufe der Zeit herausfinden würden, dass der Irak "Waffenprogramme" hatte. Die Geschichte werde zeigen, dass die USA die "absolut richtige Entscheidung" getroffen hätten, den Irak anzugreifen.

Am Wochenende hatten Außenminister Colin Powell und Bushs Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice die Manipulationsvorwürfe mit ungewöhnlicher Schärfe zurückgewiesen, die USA. Rice warf den Kritikern eine "revisionistische" Geschichtsbetrachtung vor. Es habe klare Beweise gegeben, dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitze und auch eingesetzt habe. Powell erklärte, es sei "empörend", dass einige Kritiker die Informationen der Geheimdienste als falsch bezeichneten.


Spione drohen Blair mit Enthüllungen

Von Markus Becker

Die Debatte um die Gründe des Irak-Kriegs treibt den britischen Premierminister Tony Blair immer stärker in die Enge. Geheimdienstler drohen jetzt zu enthüllen, wie sehr sie von der Regierung unter Druck gesetzt wurden.

London - Erst vergangene Woche ließ der Regierungschef seinen Minister für parlamentarische Angelegenheiten, John Reid, einen forschen Angriff auf die Kritiker der Regierung reiten. Reid warf "schurkischen Elementen" ("rogue elements") aus den Geheimdiensten vor, mit gezielt lancierter, auf Falschinformationen beruhender Kritik gegen Downing Street zu arbeiten. Die so gescholtenen schlugen mit britischem Sarkasmus zurück. "Was die Massenvernichtungswaffen betrifft, könnte tatsächlich ein 'rauchender Colt' existieren, allerdings keiner, den die Regierung sich wünscht", zitiert die Tageszeitung "The Independent" einen hochrangigen Geheimdienstler. Die Schlapphüte hätten die Anweisungen der Regierung vor dem Irak-Krieg derart befremdlich gefunden, dass sie umfangreiche Protokolle angefertigt hätten. "Die aufgezeichneten Details werden genau zeigen, was da vor sich ging", sagte der Geheimdienstler der Zeitung. "Wegen der Regelmäßigkeit und der manchmal ungewöhnlichen Art der Forderungen haben die Leute die Vorgänge archiviert, nicht zuletzt, um sich selbst zu schützen."

Ein Teil der Aufzeichnungen bezieht sich dem Bericht zufolge auf Gespräche mit Beteiligung des Joint Intelligence Committee (JID). Das Gremium besteht aus Blairs Chefsprecher Alistair Campbell, seinem Stabschef Jonathan Powell und David Omand, dem Sicherheits- und Geheimdienstkoordinator der Regierung.

"Operation Rockingham" sollte Bagdad diskreditieren

Von einer völlig neuen Dimension der Geheimdienst-Mauschelei berichtet der "Sunday Herald". Dem Blatt zufolge wurde bereits 1991 eine "Operation Rockingham" vom britischen Verteidigungsministerium ins Leben gerufen. Die primäre Aufgabe des Teams aus Geheimdienstlern sei es gewesen, die irakische Regierung belastendes Spionage-Material zu sammeln und gegenteilige Erkenntnisse zu unterdrücken, um einen Krieg zu rechtfertigen.

- Suche im Irak: Alles übertrieben?

Der ehemalige Uno-Waffeninspektor Scott Ritter und ein nicht namentlich genannter Mitarbeiter des US-Militärgeheimdienstes bestätigten dem Blatt zufolge die Existenz von "Operation Rockingham". Letzterer kenne Mitglieder des Teams persönlich und sei der Behauptung Reids entgegengetreten, "schurkische Elemente" der Geheimdienste hätten ihre Finger im Spiel. Die Politik der gezielten Auswahl und Übertreibung sei vielmehr "von höchster Ebene" ausgegangen, so der US-Geheimdienstler. Scott Ritter bot laut "Sunday Herald" sogar an, vor dem britischen Parlament über "Operation Rockingham" auszusagen.

Die neuen Vorwürfe könnten Blair in schwere Bedrängnis bringen. Zwar kündigte der Premier an, alle Vorwürfe durch das "Intelligence and Security Comittee" untersuchen zu lassen. Die Mitglieder dieses Komitees aber wurden von Blair selbst benannt und tagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Peinliche Befragung vor dem Unterhaus-Ausschuss

Eine unangenehmere Behandlung steht Blair vom Auswärtigen Ausschuss des Unterhauses bevor, dessen Anhörungen ebenso wie die Ergebnisse öffentlich gemacht werden. Der Ausschussvorsitzende, der Labour-Abgeordnete Donald Anderson, gilt als Kritiker Blairs und hat laut "Independent" bereits mehrere hohe Politiker und Beamte darauf hingewiesen, dass sie eventuell noch vor Ende dieses Monats vor dem Ausschuss aussagen müssen.

Auch Tony Blair und einige ranghohe Geheimdienstlern könnten als Zeugen geladen werden. Sollte der Premier ablehnen, könnte der Auswärtige Ausschuss laut "Independent" das Unterhaus um Unterstützung bitten. Für Blair hätte das eine hochnotpeinliche Abstimmung im Parlament zur Folge, die er obendrein verlieren könnte. Denn die Empörung über den Vorwurf der Kriegslüge ist auch innerhalb der Labour-Partei so groß, dass der Premier nach Informationen um seine Mehrheit im Unterhaus fürchten müsste. Zudem könnte eine solche Konfrontation im Volk den Eindruck verstärken, Blair habe etwas zu verbergen.


KRIEGSLÜGEN-DEBATTE - Das Erwachen der US-Demokraten

Lange Zeit war Kritik am Irak-Krieg für die Opposition aus Gründen des Patriotismus tabu. Nun haben die US-Demokraten die weltweite Kriegslügendebatte als Wahlkampfthema entdeckt. Manche stellen sogar den gesamten Krieg in Frage.

Washington - Nachdem die Welt sich bereits eine Woche lang über die möglicherweise konstruierten Kriegsgründe der USA empört, haben nun auch die oppositionellen US-Demokraten das Thema für sich entdeckt. Gleich vier demokratische Präsidentschaftsanwärter äußerten sich am Sonntag und warfen der Regierung Bush vor, die Glaubwürdigkeit der US-Außenpolitik zu untergraben. Besonders der Umgang mit Geheimdiensterkenntnissen nähre das Misstrauen an der Redlichkeit der Kriegslegitimaton. Die vier Kandidaten hatten sich in der Heimatstadt des Gouverneurs von Iowa, Tom Vilsack zu dessen alljährlichen Familienpicknick getroffen. Hauptgesprächsthema: Der von den Medien und der Öffentlichkeit hartnäckig erhobene Verdacht, dass die Bush-Regierung Geheimdiensterkenntnisse über das Potential irakischer Massenvernichtungswaffen wissentlich fehlinterpretiert, wenn nicht sogar manipuliert habe.

Bislang wurden trotz intensiver Suche keine Massenvernichtungswaffen gefunden. Senator Joe Lieberman, der den Feldzug gegen den Irak unterstützt hatte, fragt nun öffentlich: Hatte der Geheimdienst falsche Informationen oder hat die Verwaltung die verfügbaren Erkenntnisse über die Existenz von Massenvernichtungswaffen grob übertrieben? Diese Fragen müssen beantwortet werden, Amerikas Glaubwürdigkeit stünde auf dem Spiel. Die anhängige Untersuchung im Kongress soll zügig angegangen werden.

Der ehemalige Gouverneur des Bundesstaates Vermont, Howard Dean, will wissen, ob Bush dem Kongress Informationen vorenthalten habe und lässt eine berühmte Schlüsselfrage des Watergate-Skandals wiederaufleben: "Was wusste der Präsident und wann wusste er es?" Allerdings warnt er davor, Bush zu hart anzugehen. "Wir müssen uns der Sache vorsichtig nähern. Es geht um die Frage der Glaubwürdigkeit, und mir wäre es lieb, wenn am Ende die eines republikanischen Präsidenten auf dem Spiel steht, nicht unsere."

Dennis Kucinich, Abgeordneter aus Ohio, ist da unverblümter: Bushs Vorgehen sei betrügerisch. Er forderte eine lückenlose Aufklärung über die Berichte von Geheimdienstlern, wonach die von ihnen gelieferten Informationen von der Regierung missbräuchlich verwendet wurden. "Sie haben unser Land in einen Krieg geschickt, den wir nicht hätten führen müssen", sagte Kucinich, "einen Krieg, der unnötig war".

Bob Graham, Senator aus Florida und ehemaliger Vorsitzender des Geheimdienstausschusses des Senats, war einer der ersten in dem Scharmützel um die fraglichen Geheimdienstinformationen. Er bezichtigt Bush, das amerikanische Volk mit einem Muster aus Betrug und Fälschung systematisch zu hintergehen.

Die Rechtsprofessorin Carol Moseley Braun, die sich nächstes Jahr ebenfalls um die demokratische Präsidentschaftskandidatur bewirbt, kritisiert das US-Vorgehen im Irak grundsätzlich. Der Krieg binde Ressourcen und lenke die USA von der eigentlichen Aufgabe der Terrorbekämpfung ab. "Wenn Sie so wollen, haben wir uns mit dem Krieg im Irak gerade der Möglichkeit beraubt, Terrorismus zu bekämpfen", sagte die ehemalige Senatorin und Diplomatin. "Nun werden Milliarden von Dollar für den Wiederaufbau Bagdads ausgegeben, während unsere Städte zerfallen, unsere Schulen zusammenbrechen und das Volk von Terrorangst erfasst ist." Für sie ist der Krieg eher ein Ablenkungsmanöver, um darüber hinwegzutäuschen, dass "die Schuldigen vom 11. September immer noch nicht gefunden" sind.

(ms:sieh mal einer an, nun kommen wir also doch langsam zum entscheidenden Punkt.

Weder die Massenvernichtungsmittel im Irak noch weitere Details zu den Anschlägen vom 11.9. hat uns bisher die Bush-Administration vorlegen können.

Somit ist erst recht diese Frage erneut aufzuwerfen um zu beweisen, dass ebendiese Regierung nicht etwa nichts gewusst, sondern vielmehr die Anschläge bis zur Perfektion zur Wahrung höchsteigener Interessen (Enron, Asbest, zukünftige Kriege führen zu können, daheim die Demokratie zu beschneiden und bei alledem mal ganz dick absahnen.

Was wir bisher von CEOs gesehen haben ist ein Dreck im Vergleich dazu, wie unverschämt und unverfroren hier kriminelle Taten unter dem Schutzmantel der Immunität des mächtigsten Staates vollzogen wurden und werden. Zeit für Fragen der Oeffentlichkeit.)

Dick Gephardt, Mitkonkurrent um die Präsidentschaftskandidatur, kritisiert solche Reden seiner Parteigenossen. Er hatte den Krieg unterstützt und bleibt auf der patriotischen Linie. "Man sollte die Politik da draußen lassen. Das habe ich von Anfang an so empfunden und empfinde es immer noch. Hier geht es schließlich um Leben und Tod. Es geht um die Sicherheit des Landes."


 
  
 
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