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Psychoanalyse von Eugen Drewermann* ueber George W. Bush


Warum Bush diesen Krieg führen muss

Getrieben von Versager-Komplexen, gestärkt vom fundamentalistischen Gotteswahn: George Bush ist für den Psychoanalytiker und Theologen Eugen Drewermann besessen davon, einen noch besseren Krieg als sein Vater zu führen. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE seziert Deutschlands umstrittenster Kirchenkritiker die Psyche des US-Präsidenten. SPIEGEL ONLINE: Herr Drewermann, US-Präsident George W. Bush benutzt oft religiöse Vokabeln: Er spricht von der Achse des "Bösen", vom "Kreuzzug" gegen den Terror. Nach dem Absturz der Raumfähre "Columbia" zitierte er den Propheten Jesaja, häufig schließt er Reden mit der Formel: "Gott schütze Amerika". Ist Bush ein überzeugender Christ? Drewermann: Seine Rhetorik verrät sein Bemühen, die Öffentlichkeit mit religiösen Vorstellungen von seiner Art der Machtausübung zu überzeugen, insbesondere von den monumentalen Möglichkeiten eines Kreuzzuges gegen das Böse.

SPIEGEL ONLINE: Welche Folgen hat die Einteilung der Menschheit in Gut und Böse?

Drewermann: Eine solche bipolare Betrachtungsweise der Geschichte ist ideologisch außerordentlich gefährlich und psychologisch geradezu blind. Man bedient sich der Mythen des persischen Dualismus zur Begründung einer absoluten Skrupellosigkeit. Merkt man denn nicht, dass man alles, was man böse nennt, längst in die eigene Praxis übernommen hat?

SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie etwa Saddam Hussein und George W. Bush gleichsetzen?

Drewermann: Wer wie Bush gegen den Terrorismus kämpft, potenziert das Unheil. Die Amerikaner sollten der Welt ein Beispiel geben für effektive Abrüstung, und sie sollten die Unsummen von Geld, das sie in den Krieg investieren, einsetzen zum Kampf gegen die Gründe des Krieges. Die Amerikaner haben ihre Ausgaben zur Bekämpfung der Armut in der Welt gerade auf 1,7 Milliarden Dollar reduziert. Das ist nicht einmal so viel, wie sie in zwei Tagen fürs Militär ausgeben.

SPIEGEL ONLINE: Sie halten Bush offenbar eher für einen Verbrecher als für einen Anhänger Jesus von Nazarets.

Drewermann: Wer aus dem Neuen Testament die Pflicht zum Präventivkrieg herausliest, wer aus der Bergpredigt die Legitimation nimmt, Hunderttausende Menschen mutwillig zu töten, hat entweder das Christentum nicht verstanden, oder er entfernt sich mit Siebenmeilenstiefeln davon. Man kann nicht über Leichen gehen, wenn man den Weg Christi gehen will.

SPIEGEL ONLINE: Warum benutzt Bush dennoch religiöse Sprache?

Drewermann: Es geht darum, die Stimmen aus dem amerikanischen Bibelgürtel zu gewinnen. Sie sind das religiöse Zünglein an der Waage. Inzwischen ist es üblich, sich als Präsident mit der Aura der Gotterwähltheit darzustellen. Damit verbunden ist die Stilisierung der USA als "God's own country". Man lebt dort in dem Wahn, als große Nation von Gott für die Lenkung der Weltgeschicke eine besondere missionarische Berufung zu besitzen.

SPIEGEL ONLINE: Rührt daher die Intoleranz der amerikanischen Regierung gegenüber der deutschen Haltung im Irak-Konflikt?

Drewermann: Bush verschiebt den religiösen Absolutheitsanspruch auf machtpolitische, geostrategische und wirtschaftliche Ziele. Daher seine Haltung: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. In diesen Zusammenhang muss man die unglaubliche Hybris einordnen, mit der Bush sich weigert, einem ihm nicht wie ein Hund nach dem Stöckchen springenden Bundeskanzler auch nur die Hand zu geben. Über einen derartig chauvinistischen, schein-religiös motivierten Allseligkeitsanspruch kann man nur erschrecken.

SPIEGEL ONLINE: Ist diese Haltung der amerikanischen Regierung allein auf Bush zurückzuführen?

Drewermann: In gewissem Sinne ist Bush Opfer einer Geisteshaltung, die bei den Evangelikalen, den Rechten und den Fundamentalisten christlicher Prägung außerordentlich tief geht. Darüber hinaus hat er sich mit einer Ministerriege aus der Zeit des Golfkrieges seines Vaters umgeben. Sein Vize Dick Cheney ist mit dem Öl-Ausrüster Halliburton zum Großlieferant fürs Pentagon aufgestiegen, Colin Powell erscheint zwar moderat, war aber in Wirklichkeit nie etwas anderes, als der jeweiligen Macht untertan. Condoleezza Rice ist eine absolut ehrgeizige Dame und predigt nichts als Krieg. Paul Wolfowitz beglückt die Welt mit der Vorstellung, dass ein Krieg im Irak weltweit Wohlstand, Demokratie und Menschenrechte bringen werde.

SPIEGEL ONLINE: Wenn fundamentalistische Positionen bei Bush anschlagen, wie ist seine Psyche gestrickt?

Drewermann: Psychoanalytisch dürfen wir annehmen, dass sich die religiöse Grundeinstellung nach den verinnerlichten Werten der Eltern richtet. Bush senior hatte schon im ersten Krieg gegen den Irak 1991 gesagt, der Ausgang des Krieges könne nur der Sieg des Guten sein. Dieser Sieg des Guten hat im Irak allein mehr als 200.000 Menschen das Leben gekostet und Hunderttausende zu Krüppeln gemacht. Die Embargopolitik hat mehr als eine Million Menschen in den Tod gedrückt. Wie kann man das Wort "gut" auf eine derart grausame Weise intonieren?

SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie allen Ernstes behaupten, Bushs Irak-Politik sei eine Synthese aus Vaterkomplex und religiösem Fundamentalismus?

Drewermann: Die religiöse Komponente kann sich mit der Beendigung seiner Alkoholismus-Probleme verbunden haben. Alkoholiker kompensieren schwere Minderwertigkeitskomplexe - Bush galt über Jahre als der Versager der Familie - durch die Droge und durch Loyalität und Jovialität. Trocken geworden, als Bekehrte sozusagen, strengen sie sich dann an, die verinnerlichten Maßstäbe ihres Über-Ichs perfekt zu erfüllen. Für George W. verschmelzen Gott und sein Vater zu dem Auftrag, einen noch größeren und noch besseren Krieg zu führen als der eigene Vater - mit dem Beistand des Vaters im Himmel. Das alles ist eine Verzahnung aus individueller Neurose und sozialpsychologischem Wahn: eine Uberbietungssyndrom und eine Weltbeglückungskomponente.

SPIEGEL ONLINE: Besteht Hoffnung, dass sich der Präsident aus dieser Verfangenheit befreien kann?

Drewermann: Man müsste mit dem potenziellen Gegner, dem Irak, reden und gemeinsam Wege aus der Krise suchen. Das versuchen die Europäer. Doch Bush - im Alleinbesitz von Weisheit und Macht - verweigert dies der Welt. Er ist die einstudierte Sprechpuppe des Pentagons und der Ölindustrie.

SPIEGEL ONLINE: Sie bezeichneten Krieg einmal als eine Krankheit. Sitzt der Infektionsherd in Washington oder in Bagdad?

Drewermann: Der Infektionsherd sitzt in jedem, der glaubt, Probleme mit Gewalt lösen zu können. Der Krieg ist das Resultat der Wahnidee, dass man aus den Mündungsrohren der furchtbareren Kanonen und der effizienteren Raketensilos Recht herbeibomben könnte. Der Krieg ist das Scheitern, Menschen gerecht zu werden.

SPIEGEL ONLINE: Ein Scheitern, zu dem Saddam Hussein wesentlich beiträgt.

Drewermann: Der Irak stellt keine wirkliche Gefahr dar. Das Gerede vom Besitz der Atomwaffen wird nicht einmal mehr von Condoleezza Rice aufgelegt, simpel, weil es nicht stimmt. Die chemischen Waffen haben nach Auskunft von Scott Ritter, der bis 1998 die Waffenkontrollen im Irak geleitet hat, eine Verfallszeit von fünf Jahren. Das heißt, es gibt solche Bestände nicht mehr. Es sei denn, sie wären in der Zwischenzeit unter dem außerordentlich strengen Auge der amerikanischen Kontrollen nachgerüstet worden. Dafür gibt es definitiv nicht den geringsten Beweis. Die Amerikaner haben selbst behauptet, alles, was sich auf dem Boden bewegt, könnten sie sehen - und zerstören.

SPIEGEL ONLINE: Wie kommen Sie zu ihrer optimistischen Einschätzung? Im Irak werden angeblich 8500 Liter Anthrax versteckt.

Drewermann: Kein Geringerer als Donald Rumsfeld hat den Irak 1983 in den Besitz der Milzbranderreger gebracht, als er Saddam Hussein als Kettenhund gegen die Ajatollahs im Iran scharf machen wollte. Rings um den Irak herum existiert übrigens kaum ein Staat, der nicht über solche Mittel verfügt.

SPIEGEL ONLINE: Das macht den Irak nicht besser.

Drewermann: Man kann aber nicht einen Staat einseitig abrüsten wollen, wenn man mit dem Faktor eins zu tausend all das im eigenen Arsenal hält, was man beim anderen abschaffen will. Der Irak ist im Vergleich zu anderen aufgerüsteten Staaten wie eine Ratte gegenüber einem Elefanten.

SPIEGEL ONLINE: Sehen Sie keinen Unterschied darin, dass die USA demokratisch konstituiert sind, im Irak aber ein Diktator herrscht?

Drewermann: Der Unterschied wird immer hinfälliger. In den USA können Sie sich die Macht kaufen. Mit der Folge, dass Bush nun den Interessen der Rüstungs- und Erdölindustrie huldigen muss, von denen er gesponsert wurde. Wir haben keine Demokratie, sondern eine Plutokratie in den Vereinigten Staaten. Der Wahlkampf ist daher eine inhaltsleere Propagandashow. Ein Großteil der Amerikaner bleibt selbst der Präsidentenwahl fern.

SPIEGEL ONLINE: Seit dem 11. September ist den meisten Amerikanern zumindest die Sicherheitspolitik nicht gleichgültig.

Drewermann: Es ist vor allem die Angst, die die Amerikaner dazu bringt, sich hinter ihrem Präsidenten zu scharen. Es gibt keine Medien mehr, die das amerikanische Volk objektiv informieren könnten. Die Regierung ist inzwischen so zynisch, die Medien in die propagandistische Kriegführung einbinden zu wollen.

SPIEGEL ONLINE: Noch gibt es aber eine garantierte Freiheit der Presse.

Drewermann: Nur nominell. De facto erleben sie die Pressefreiheit doch so, dass die Medien von den 25.000 Menschen der amerikanischen Friedensbewegung, die vor dem Weißen Haus gegen den Krieg demonstrieren, kaum noch Notiz nehmen. Kritische Stimmen wie Gore Vidal, Noam Chomsky oder Howard Zinn können schreiben oder sagen, was sie wollen, sie haben keine Resonanz in den Medien. Auch in Deutschland wird es immer schwieriger, eine kriegskritische Meinung offen zu äußern, obwohl die Regierung sich gegen eine Beteiligung am Irak-Krieg ausgesprochen hat.

Das Gespräch führte Alexander Schwabe

*Eugen Drewermann Eugen Drewermann, 63, ist der meistgelesene und umstrittenste deutsche Theologe. Von 1979 bis 1991 lehrte er an der katholisch-theologischen Fakultät in Paderborn Dogmatik. Dann wurde ihm die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen. Ein Jahr später wurde er vom Priesteramt suspendiert. Drewermann, der auch Psychoanalyse studiert hat, hat mehr als 70 Bücher veröffentlicht und betreibt eine psychoanalytische Praxis.

gefakte streams mit den wahren Wünschen George W. Bush's: marcosolo.antville.org


 

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RAUMFAHRT - Kommando Himmelfahrt


RAUMFAHRT -der Spiegel- 18.11.2002

Kommando Himmelfahrt

US-Forscher wollen die Erde zum Erdgeschoss machen: Sie planen einen Fahrstuhl ins All. In zwei Jahren soll der Bau beginnen.

Willkommen an Bord! Mit sattem Klack schließen die Lifttüren. Drei, zwei, eins - Zug! Den sanften Druck der Beschleunigung bemerken die Passagiere kaum. Sie neigen die Lehnen und greifen zu Getränken - immerhin wird man eine Woche unterwegs sein. Draußen auf der Plattform beobachtet das Bodenpersonal, wie sich die Aluminiumgondel mit der Geschwindigkeit eines Fahrradfahrers in den Nachthimmel hangelt, verfolgt vom gleißenden Strahl eines Hochenergie-Lasers. Allmählich verklingt das Summen der Elektromotoren.

Vorschau ins Zeitalter der Weltraumfahrstühle: Die US-Raumfahrtbehörde Nasa sieht es bereits dämmern. Ihre Ingenieure haben das Konzept durchgerechnet und für machbar befunden. "In 15 Jahren können wir zur Jungfernfahrt starten", sagt Brad Edwards vom Nasa-finanzierten Unternehmen HighLift Systems.

Es wäre der Seiltrick schlechthin: Ein hunderttausend Kilometer langes Kabel steht völlig frei auf der kreiselnden Erde. Menschen und Lasten klettern daran bequem und billig durch die Atmosphäre ins All. Ein Urlaub in der Schwerelosigkeit wird so billig wie eine Pauschalreise in die Karibik - und die stinkenden, donnernden Blechröhren, genannt "Raketen", verschwinden ins Museum.

Edwards und Kollegen wissen die Gesetze der Physik auf ihrer Seite: Zwar fällt ein kurzes Seil, das vom Äquator aus emporragt, unter seinem eigenen Gewicht erdwärts. Doch je länger es ist, desto stärker zieht die Fliehkraft an dem mit der Erde rotierenden Seil. Liegt sein Schwerpunkt mehr als 35 786 Kilometer hoch, dem Niveau des so genannten geostationären Orbits, so siegt die Flieh- über die Schwerkraft - das Seil spannt sich von selbst.

Dennoch galt der Weltraumfahrstuhl bisher als pure Phantasterei: Kein herkömmlicher Werkstoff wäre den Kräften in dem eigenartigen kosmischen Kettenkarussell gewachsen. Ein senkrecht auf die Erde hängendes Stahlkabel reißt schon bei etwa 50 Kilometer Länge unter der eigenen Last. Leichte, feste Fasern wie Kevlar oder Dyneema könnten zwar niedrige Satelliten auf 200 bis 300 Kilometer Höhe erreichen. Doch die halten sich nur am Himmel, indem sie in anderthalb Stunden rund um den Globus wirbeln. "Vergiss es", sagte sich der US-Mathematiker John McCarthy Anfang der fünfziger Jahre und legte den Plan einer "Seilbahn zu den Sternen" ad acta.

Die neue Zuversicht der Nasa weckte eine Entdeckung des japanischen Materialforschers Sumio Iijima. Beim Stöbern in Grafitstaub stieß Iijima auf das stärkste bisher bekannte Material: Kohlenstoff- Nanoröhrchen. Ein millimeterdicker Strang aus Nanoröhrchen könnte theoretisch eine Last von 20 Tonnen tragen - bei knapp einem Fünftel des Gewichts eines Stahldrahts gleichen Durchmessers.

Der Physiker Edwards hat erkannt, dass diese Kenndaten reichen für den Fahrstuhl ins All. Nun treibt er das "Kommando Himmelfahrt" ungeduldig voran: "In zwei Jahren beginnen wir mit dem Bau." Um das Jahr 2011 will HighLift Systems das erste Kabel in Position bringen: ein 91 000 Kilometer langes Band aus Nanoröhrchen, einige Zentimeter breit und einen Millionstel Meter dünn.

Eine Raumfähre soll das gewickelte Band außerhalb der Atmosphäre absetzen. Eine raketengetriebene Sonde entrollt es nach oben, während das untere Ende, mit Ballast beschwert, zur Erde sinkt. Auf einer im Meer schwimmenden Basis wird es verankert. Dann rollen kleine Gondeln das Band empor, von der Erde aus per Laser mit Energie versorgt, und verstärken es Schicht für Schicht. Spätestens 2017 ist das Tragwerk vollendet, glaubt Edwards. "Dann können wir fünf Tonnen Ladung am Tag nach oben bringen."

Kleinliche Einwände lassen ihn unbeirrt. Wie etwa soll man die Nanoröhrchen verweben? Was aus ihnen bisher an Garn gesponnen wurde, ist kaum zugfester als ein Bindfaden: Die kleinen Kraftprotze schlüpfen auseinander. Edwards will sie deshalb in Kunststoff einbetten. Zwar ist diese Technik noch kaum entwickelt. "Aber sie macht gewaltige Fortschritte", beharrt er.

Und was, wenn ein Blitz oder ein Windstoß das Band vom Himmel reißt? Schon bedacht: Edwards liebäugelt mit einem Standort im Pazifik westlich von Ecuador, wo Gewitter so gut wie unbekannt sind. Auch die Bedrohung durch einschlagenden Weltraumschrott hat er kalkuliert - die gefährdeten Abschnitte des Bandes werden speziell verstärkt.

Leider ist da noch die Geldfrage: 40 Milliarden Dollar soll die Verkabelung des Weltalls kosten. Edwards winkt ab: "Viele staatliche Programme sind teurer." Bisher allerdings hat das Nasa Institute for Advanced Concepts gerade mal 570 000 Dollar für HighLift Systems springen lassen.

TOBIAS HÜRTER

Marcosolo: Tönt echt verlockend ich jedenfalls halte es für realistischer als die Mondlandung...


 

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