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Sonntag, 9. Juli 2006

7/7 - Man ließ es geschehen


Die regierungsoffiziellen Untersuchungsberichte zu den Londoner Anschlägen am 7. Juli 2005 ­verschweigen, daß der Haupttäter lange vorher überwacht wurde

Jürgen Elsässer

Zufälliges Zusammentreffen? Neben dem am 7. Juli explodiertem Doppeldeckerbus. Das Unternehmen ist auf »kontrollierte Zerstörung« spezialisiert

Am 7. Juli 2005 zerrissen morgens um exakt 8.50 Uhr Ortszeit drei Bomben innerhalb von 50 Sekunden Zugwaggons in oder kurz vor den Londoner U-Bahnhöfen Aldgate, Edgeware Road und Russell Square. 57 Minuten später detonierte eine vierte Bombe im Doppeldeckerbus Nummer 30 nahe Tavistock Square. Insgesamt starben bei »London 7/7« - so das in den Medien mittlerweile verwendete Kürzel für den Schreckenstag - 56 Menschen, darunter die vier angeblichen Attentäter, etwa 700 wurden verletzt.

Rechtzeitig zu den öffentlichen Trauerfeiern ein Jahr später erschien ein Buch, das - so der Independent on Sunday - »die offizielle 7/7-Geschichte auseinandernimmt«. Schon im Titel »The London Bombings: An Independet Inquiry« verspricht Nafeez Mosaddeq Ahmed eine »unabhängige Untersuchung«, und tatsächlich hat er eine Menge sensationeller neuer Fakten vorzuweisen.

Die offizielle Version

Am 11. Mai legten das britische Unterhaus und das Geheimdienstkomitee der Regierung zeitgleich ihre Abschlußberichte über die Untersuchungen zu den Anschlägen vor. Sie differieren nur in Details, stimmen jedoch in der Hauptaussage überein: »Keine der Personen, die zu der (Terror-)Gruppe des 7. Juli gehörte, war vor Juli als potentielle terroristische Bedrohung identifiziert (also namentlich aufgeführt) worden.« Alle vier seien »clean skins« gewesen - Leute ohne Polizeiregister. Teenager pakistanischer Herkunft, die irgendwann in ein extremistisches Fahrwasser geraten seien, ohne daß dies den Behörden aufgefallen sei.

Doch wie kann das so sicher behauptet werden, wenn gleichzeitig in beiden Berichten eingestanden wird, daß die Zusammensetzung des Sprengstoffes noch immer nicht entschlüsselt werden konnte? Die These von den Einzeltätern steht und fällt mit der Annahme, daß sie die Bombe zu Hause in der Badewanne aus handelsüblichen Drogerieartikeln wie Haarbleicher zusammengemixt und nicht, wie direkt nach 7/7 von den Sicherheitskreisen angegeben, Plastiksprengstoff aus Militärbeständen verwendet hatten.

Ahmed weist in seinem Buch nach, daß die Verwicklung des mutmaßlichen Anführers der Selbstmordbomber Mohamed Sidique Khan »in einen Terrorplan, der einen möglichen (kurz bevorstehenden) Anschlag auf das Untergrundnetz einschloß, der CIA, dem FBI, dem MI-5 und dem MI-6 bekannt waren«. MI-5 und MI-6 sind der britische Inlands- bzw. Auslandsgeheimdienst.

Überwachen und wegsehen

Im einzelnen werden bei Ahmed und in einem weiteren Buch von Ron Suskind (»The One Percent Doctrine«) folgende Beweise und Indizien für diese These genannt:

  • Khan wurde bereits im Jahre 2003 von den US-Diensten für so gefährlich eingeschätzt, daß er auf eine schwarze Liste für Personen kam, die nicht in die Vereinigten Staaten einreisen durften. Das wurde von Dan Coleman, dem leitenden FBI-Ermittler gegen Al Qaida bestätigt, von seiner Behörde dementiert.

  • Im selben Jahr alarmierte Martin Gilbertson, ein IT-Fachmann mit Kontakten zu der Khan-Gruppe, Scotland Yard.

  • Seit Anfang 2004 wurde Khan von den britischen Diensten überwacht - nach den Anschlägen fand sich in seinem Auto eine Wanze.

  • Aufgezeichnet wurden unter anderem Gespräche Khans, in denen er mit anderen Details zum Bombenbau diskutierte. Im Falle eines anderen (offenbar nicht ausgeführten) Anschlages war er demnach an den »unmittelbaren Vorbereitungen« beteiligt.

  • Daraufhin forderten die beteiligten MI-5-Spezialisten, Khan auf eine »höhere Überwachungsstufe« zu setzen. Aber dies geschah nicht. Mehr noch: Die MI5-Spitze zog die Überwacher Khans für andere Aufgaben ab. Eine Panne? Ein Zufall? Oder Absicht?

Ahmed erinnert auch daran, daß der - laut Aufzeichnungen der Mobilfonkommunikation - häufigste Kontakt Khans vor dem 7. Juli in den amtlichen Untersuchungsberichten nicht einmal auftaucht: Ein gewisser Haroon Ra­shid Aswat, ein Brite pakistanischer Herkunft, der in den neunziger Jahren Moslems von der Insel für den bosnischen Dschihad rekrutiert und später im Auftrag des MI-6 Unterstützung für die kosovoalbanische Terrorbewegung UCK organisiert hat. Aswat reiste zwei Wochen vor 7/7 in Großbritannien ein und wenige Stunden vor dem Inferno wieder aus. John Loftus, ein frührer US-Bundesanwalt und Mitarbeiter bei US-amerikanischen und israelischen Geheimoperationen, hält diesen Agenten für den Drahtzieher des 7. Juli. Im Juli 2005 sagte er im US-Sender Fox News: »Wirklich bestürzend ist, daß die ganze britische Polizei draußen ist und ihn jagt, und ein Flügel der britischen Regierung, MI-6 oder britischer Geheimdienst, hat ihn versteckt.«

Aswat wurde kurz nach den Anschlägen in Pakistan festgenommen, kam jedoch auf wundersame Weise wieder frei. Am 20. Juli 2005 wurde er erneut in Sambia inhaftiert und dann nach Großbritannien überstellt. Doch Scotland Yard befragte ihn nicht über seine Verwicklung in den U-Bahn-Terror, sondern schickte ihn nach kurzer Inhaftierung in die Vereinigten Staaten, wo er wegen kleinerer Delikte gesucht wird. Die US-Behörden hatten die Auslieferung Aswats nämlich schon vor den Anschlägen verlangt, als dieser sich in Südafrika aufhielt. Dagegen hatte die britische Regierung erfolgreich interveniert. Erneut lautet die Frage: Eine Panne? Zufall? Oder Absicht?


 

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7/7 - Augenzeugen, die kein Gehör finden sollen


Sprengladungen unter den Zügen? Berichte von 7/7-Überlebenden widersprechen der ­offiziellen Theorie

Jürgen Elsässer Die Artikelflut zum Jahrestag der Londoner Anschläge läutete der Londoner Guardian mit einem bemerkenswerten Beitrag ein. Mark Honigsbaum, ein Autor des Blattes, beschreibt, was er an jenem schrecklichen Vormittag erlebte. Er kam um 9.30 Uhr an der Station Edgeware Road an, wo eine dreiviertel Stunde vorher eine der Bomben explodiert war, und konnte mit Passagieren sprechen, die gerade den Todeszügen entkommen waren. »Ich fragte Vorbeikommende, was sie gesehen und erlebt hatten, und hörte von zwei Überlebenden des gesprengten Zuges, daß, im Augenblick der Explosion, der Boden ihres Wagen in die Luft geflogen war ...« In seinem Bericht, der dann auf der Website des Guardian erschien, berichtete Honigsbaum folgerichtig, daß es eine Explosion »unter dem Zug« gegeben habe und daß einige Passagiere ihm erzählt hatten, »wie die Bodenplatten, der Fußboden des Zuges in die Luft flog, hochgehoben wurde«.

Damit widersprechen Augenzeugen der amtlichen Theorie, wonach islamistische Selbstmordattentäter die Bomben in Rucksäcken transportiert hätten. In der Tat passen auch andere Fakten nicht zu dieser Theorie: Daß die angeblichen Täter sich brav Rückfahrkarten in der Metro und Parkscheine für ihre an Park&Rail-Stationen abgestellten Wagen gekauft hatten; daß der angeblich von ihnen selbst zusammengemischte Sprengstoff aus handelsüblichen Chemikalien viel zu instabil war, um über weitere Strecken transportiert zu werden; daß Scotland Yard kein einziges Videobild der Verdächtigen vor dem Einsteigen in die Todeszüge präsentieren konnte, obwohl das Londoner Verkehrsnetz einer Totalüberwachung unterliegt.

Honigsbaums Rückblick wäre vermutlich nicht gedruckt worden, hätte er nur die zitierten Passagen enthalten, die diese Zweifel an der offiziellen Theorie nähren. Der Autor schlägt jedoch eine Volte und kritisiert hauptsächlich die »Verschwörungstheorien«, die auf Grundlage von Beobachtungen wie der seinen entstanden waren. Im nachhinein hätte sich nämlich durch Befragung anderer Passagiere, »die dem Ort der Explosion näher gewesen waren«, herausgestellt, »daß die Bomben wirklich im Innern der Züge detoniert waren, nicht unter ihnen«. Belege bleibt Honigsbaum schuldig.

Pech für die Anhänger der offiziellen Theorie, daß sich ganz unabhängig von Honigsbaum auch andere Zeugen gemeldet haben, die dasselbe erlebt haben. So schilderte der leichtverletzte Tanzlehrer Bruce Lait aus Cambridge noch vom Krankenhaus aus das Zerstörungswerk der Explosion in seinem Waggon: »Das Metall war noch oben gebogen, als ob die Bombe unter dem Zug war. Die denken anscheinend, die Bombe war in einer Tasche abgestellt worden, aber ich erinnere mich an keinen dort, wo die Bombe war, und auch an keine Tasche.«

Sehr aufschlußreich ist auch der Bericht des Überlebenden Danny Belsten aus Manchester. Ein anderer Fahrgast habe ihn unter den Trümmern geborgen, und dann seien sie beide »durch den ersten Wagen gegangen, wo die Einstiegsluken herausgeflogen waren«. Die Einstiegsluken befinden sich am Boden des Waggons und öffnen sich nach oben. Wenn ihre Deckel herausflogen, mußte der Explosionsdruck von unten gekommen sein.

Offene Fragen an London: »Lihop« oder »Mihop«

Den aufmerksamen Lesern wird nicht entgehen, daß zwei Einwände gegen die offizielle 7/7-Theorie vorgebracht werden, die sich gegenseitig ausschließen: Im Artikel »Man ließ es geschehen« wird mit Verweis auf aktuelle Buchveröffentlichungen die Überlegung präsentiert, daß die britischen Sicherheitsdienste die mutmaßlichen Attentäter ihr Schreckenswerk vollenden ließen, obwohl sie sie eigentlich hätten stoppen können. Hier nun werden Augenzeugenberichte referiert, wonach die angeblichen Täter es eigentlich gar nicht gewesen sein konnten, da die verheerenden Bomben nicht in ihren Rucksäcken, sondern von Dritten unter den Zügen plaziert worden waren.

Ähnliche Differenzen in der Analyse gibt es auch bezüglich der Anschläge vom 11. September 2001: Haben CIA und FBI die angeblichen Hijacker trotz umfangreicher Ermittlungsergebnisse im Vorfeld gewähren lassen? Oder waren für den Einsturz der Twintowers und die Zerstörungen am Pentagon gar nicht die entführten Flugzeuge verantwortlich, sondern im einen Fall Sprengladungen, im anderen eine Cruise Missile? Die wachsende Gemeinde der 9/11-Skeptiker teilt sich dementsprechend in Lihop- und Mihop-Anhänger: Lihop steht für Let it happen on porpose - Laß es vorsätzlich geschehen. Mihop bedeutete Make it happen on puprpose - Führe es vorsätzlich herbei.

Fatal wäre, wenn sich die Kritiker der offiziellen Verschwörungstheorie an dieser Differenz in die Haare bekommen würden. Denn selbstverständlich lassen sich Fragen­komplexe von dieser Dimension und strategischen Bedeutung nicht von ambitionierten Internet-Surfern und unterbezahlten Guerilla-Journalisten aufklären.

Was nötig wäre, ist eine unabhängige Untersuchungskommission mit einem ordentlichen Budget und Zugang zu den amtlichen Verschlußsachen, eingerichtet vom Europäischen Parlament oder vom britischen Unterhaus. Premierminister Tony Blair weigert sich standhaft, wohl aus gutem Grund. Aber in Strasbourg, das demonstriert der dort arbeitende Untersuchungsausschuß zum CIA-Skandal um die Folterflüge, würde sich ein Vorstoß lohnen.


 

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